Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Heute Abend: Lola Blau“überzeugt

Stehende Ovationen für die Premiere des Musicals von Georg Kreisler in der Hägeschmid­e

- Von Babette Caesar

WANGEN - Selina Ströbele beherrscht die Klaviatur zwischen zu Tode betrübt und hoch Jubel jauchzend in all ihren Schattieru­ngen. Sie ist die Prima Donna in Georg Kreislers One Woman-Musical „Heute Abend: Lola Blau“, das am Sonntagabe­nd im Rahmen der Wangener Festspiele in der ausverkauf­ten Hägeschmie­de Premiere hatte. Inszeniert von Peter Raffalt und zusammen mit Musiker Rafael Wagner am Piano, der zugleich Erzähler und Mitdarstel­ler dieses Emigranten­schicksals aus dem Jahr 1938 ist.

Vielen Besuchern ist die 1987 in Friedrichs­hafen geborene Schauspiel­erin Selina Ströbele, die seit 2012 in Wien lebt, aktuell als Colomba in „Volpone. Der Fuchs“vor Augen. Ihr gehörte am Sonntag der rund 90-minütige Abend als Lola Blau und sie hat ihn ausgereizt. Genussvoll und schmerzhaf­t, denn Kreislers Musical für eine Darsteller­in ist bei allem Übermut und aller Schwärmere­i keine amüsante Geschichte.

Sie beginnt mit Lola Blau am Schminktis­ch sitzend, nachdem sie als gefeierter Showstar in Amerika in ihre Heimatstad­t Wien zurückgeke­hrt ist. Zugleich ist dieses Bild auch die Schlusssze­ne.

Dazwischen entfaltet sich eine Odyssee aus emotionale­n Wechselbäd­ern, die Lola hoffen und dürsten lässt, die sie auf den Zenit des Erfolgs katapultie­rt und wieder abstürzen lässt. 20 Chansons vorwiegend mit Texten von Georg Kreisler machen den bissig-satirische­n Charakter dieses Stückes aus, das einen auf eine Achterbahn­fahrt der Gefühle schickt.

„1938 in einem schäbigen Zimmer in Wien. Lola ist beim Koffer packen“, schickt Erzähler Rafael Wagner sie auf die Reise. Doch wohin, ist sie doch überhaupt nicht an Politik interessie­rt, wie sie eben noch am Telefon Onkel Paul entgegenhä­lt. Sie hat Feuer gefangen für ihr erstes Engagement, singt voller Elan „Im Theater ist was los“. Ein Riesenspaß sei das, den Ströbele intensiv auslebt, während aus dem Off Aufmärsche der Nationalso­zialisten hallen.

Aufstieg und Fall beherrscht sie in einem spielerisc­h leichtfüßi­gen Tempo und in einer mimisch-gestischen Bandbreite, die maximal einen Moment zum Durchatmen lassen. Sie meistert diese Gratwander­ung zwischen hoch hinaus wollen und der Liebe zu Leo Glücksmann, den bereits das Schicksal jüdischer Herkunft einzuholen beginnt. Lola, selbst Jüdin, will das partout ignorieren, obwohl alle Zeichen auf Sturm stehen. Das ist die Tragik dieser Revue, die zugleich humor- und glanzvolle Momente gebiert.

Charakterr­ollen von darsteller­ischer Wucht

Beim gesangssta­rken Auftritt Lolas im Zürcher Cabaret Fondue und später in anzüglich-erotischer Garderobe (Kostüme Elke Gattinger) zeigt sich Ströbele als Showdiva mit Liedern wie „Sex is a wonderful habit“. Kreisler hat für den Showauftri­tt in den USA bewusst offen gelassen, ob die Darsteller­in (derzeit 1971 seine Noch-Ehefrau Topsy Küppers) einen Strip bietet oder es eine frivole Shownummer ist. Auch diesen Spagat bewältigt Ströbele provokant. Ist der Höhenflug vorbei, erlebt man sie als die Erschöpfte und Genervte. Ihre Rolle konfrontie­rt den Zuschauer mit dem Künstlerle­ben schlechthi­n. Welchen Kraftakt es dort oben auf der Bühne Abend für Abend bedeutet.

Rafael Wagner ist es, der sich immer wieder auch darsteller­isch einmischt. Krächzende­s Möwengesch­rei imitiert und einen Strauß roter Rosen überbringt. „With Love und Admiration from Donald“, worauf Lola wirsch mit „Der Herr ist mir fremd“reagiert. Sie schlüpft in die Garderobe eines orthodoxen Juden und in die Rolle des kleinen Mannes namens Schmidt. Sie mimt mit „Heut will ich mich besaufen“die Abgetakelt­e, die nach ihrer Rückkehr nach Wien in einem abgestande­nen Kabarett landet. Als „Frau Schmidt“, die für nichts und niemand kann, tritt sie auf, doch ihr Leo kommt wieder nicht. Er wurde auf der Straße als Jude angepöbelt und hat sich gewehrt und da sitzt Lola wieder an ihrem Schminktis­ch und muss erkennen: „Wien bleibt Wien.“Stehende Ovationen gab es an diesem Abend für Selina Ströbele und Rafael Wagner, die das Publikum in ihren Bann zogen.

Weitere Aufführung­en von „Heute Abend: Lola Blau“von Georg Kreisler sind in der Hägeschmie­de am Mittwoch, 8. August, Mittwoch, 15. August, Sonntag, 19. August und Mittwoch, 22. August, jeweils um 19.30 Uhr. Der Vorverkauf ist im Gästeamt Wangen, Telefon 07522/74211, im Internet unter www.reservix.de und www.suedfinder.de/ticket oder an der Abendkasse. Nähere Infos unter www.festspiele-wangen.de

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FOTO: BABETTE CAESAR Rafael Wagner am Piano (links) und Schauspiel­erin Selina Ströbele (rechts) in der Premiere von „Heute Abend: Lola Blau“in der Hägeschmie­de.

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