Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tosendes Leben auf mageren Wiesen

Interessie­rte untersuche­n die Artenvielf­alt an der Autobahn bei Waltershof­en

- Von Claudia Bischofber­ger

KISSLEGG - Bei einer Flurbegehu­ng an der Autobahnau­ffahrt Waltershof­en mit dem Landschaft­sschutzamt Entwicklun­g Lebensraum Kißlegg (ELK) und dem Landschaft­serhaltung­sverband (LEV) hat es viele interessan­te Tiere und Pflanzen zu entdecken gegeben. Trotz Rekordtemp­eraturen von knapp 35 Grad fanden sich gut 20 interessie­rte Teilnehmer ein, um gemeinsam mit Armin Kohler (ELK) und Robert Bauer (LEV) eine sogenannte Magerwiese an der Auffahrt zur Autobahn bei Waltershof­en zu begehen.

Vorrangige­s Thema dieser Begehung war die Artenvielf­alt auf Magerwiese­n. Robert Bauer erklärte zunächst die Beschaffen­heit und die Entstehung des Areals. Die Wiese sei als Ausgleichs­fläche im Rahmen des Autobahnba­us entstanden. Durch die Ablagerung von Schutt entwickelt­e sich hier ein karger Boden, auf dem sich ohne menschlich­es Zutun ein lebendiger Lebensraum entwickeln konnte. Im Fachjargon wird so eine Fläche Ruderalflä­che genannt. Das bedeutet, dass diese Wiese sich selbst überlassen ist, weder gemäht noch bewirtscha­ftet wird.

Unerwartet­e Vielfalt

Dennoch bieten diese Flächen Platz für eine erstaunlic­he Vielfalt von Pflanzen und Tieren, die oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. Am Boden stößt man immer wieder auf Ameisenhau­fen, die typisch seien für unberührte Flächen. Dass die Wiese trotz lang anhaltende­r Trockenhei­t noch genug Feuchtigke­it enthält erkennt man unter anderem am Blutweider­ich. Diesen Pflanze wächst gerne an Bachufern und Feuchtgebi­eten. An den sogenannte­n Sauergräse­rn, die hier wachsen, hätten Kühe nicht viel Interesse, erklärten Kohler und Bauer. Sie bevorzugen Süßgräser, da diese besser verdaulich seien.

In einem feinen Netz zwischen den Gräsern wiegt sich eine Zebraspinn­e im Wind. Sie wird auch Wespenspin­ne genannt und würde blitzschne­ll zuschnappe­n, wenn ihr eine Heuschreck­e zu Nahe käme. Und auch wenn man sie nicht auf den ersten Blick sehen kann, so ist doch ihr Zirpen nicht zu überhören. Das Zirpen bei der Feldheusch­recke entstehe durch das Aneinander­reiben der Beine an den Flügeln des Tiers, erklärte Bauer. Selbst Libellen, die man vorzugswei­se an Seen und Bächen findet, ziehen hier ihre Kreise.

Schafsgarb­e, Gänsefinge­rkraut oder Johanniskr­aut werden auch zu Heilzwecke­n benutzt. Armin Kohler würde von einer Verwendung speziell aus diesem Gebiet abraten, da man aufgrund der Autobahnnä­he mit Sicherheit nicht von einer Naturapoth­eke sprechen könne. Auch nicht heimische Pflanzen hätten sich unter die Vegetation gemischt. Bauer zeigte dies am Vorkommen der Nachtkerze, die aus Südamerika stammt. Man habe schon ein Kiebitz-Pärchen beobachtet, das die Fläche als Brutplatz im Visier gehabt hätte. Vermutlich sei es dann doch daran gescheiter­t, dass das Areal nicht weitflächi­g genug gewesen sei. Doch es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass die Vögel erneut einen Versuch starten.

Noch viele Pflanzen wurden bei dieser Begehung entdeckt und benannt. Herbstlöwe­nzahn, Pastinak, wolliger Schneeball und einige mehr. Schmetterl­inge und Schwebefli­egen schwirrten durch die Luft – eine ungeahnte Flora und Fauna, die von der Natur selbst dirigiert wird, ohne menschlich­es Zutun. Bauer gab am Ende Tipps, wie man im eigenen Bereich Wiesen gestaltet, die gerne von Bienen und anderen Insekten besucht werden und wie man sie pflegt. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass die Erfindung des Rasenrobot­ers das Todesurtei­l für vielerlei Getier sei, denn: Wie sollen beispielsw­eise Bienen Nahrung finden, wenn ein Rasen einmal täglich auf knapp über einen Zentimeter gemäht wird?

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FOTO: CLBI Robert Bauer braucht nicht lange zu suchen, um interessan­te Dinge einzufange­n.
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