Schwäbische Zeitung (Wangen)

Notaufnahm­en ächzen unter Ansturm

Oberschwab­enklinik lehnt Idee einer Gebühr für Patienten dennoch ab

- Von Bernd Adler

RAVENSBURG - Immer mehr Menschen gehen im Krankheits­fall in die Notaufnahm­e einer Klinik, anstatt sich an einen Arzt zu wenden. Für die Krankenhäu­ser ist das ein riesiges Problem. Denn das bedeutet nicht nur unnötige Mehrarbeit. Die Krankenhäu­ser zahlen für jeden Patienten auch noch erheblich drauf.

Beispiel Oberschwab­enklinik: Fast 58 000 Patienten versorgte der Ravensburg­er Klinikverb­und im vergangene­n Jahr in seinen Notaufnahm­en. Das sind fast ein Drittel mehr als noch zehn Jahre zuvor. Im Krankenhau­s St. Elisabeth war die Steigerung mit 43 Prozent auf fast 35 000 Fälle sogar noch höher.

Den Krankenhäu­sern müsste daher ein aktueller Vorschlag der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung gefallen. Die Idee: Patienten, die in die Notaufnahm­e einer Klinik gehen, aber lediglich Bagatell-Beschwerde­n haben, sollen 50 Euro Strafgebüh­r bezahlen. Als Abschrecku­ngseffekt.

Dr. Jan-Ove Faust, Direktor Medizin und Behandlung der Oberschwab­enklinik (OSK), hält diesen Gedanken für fragwürdig: „Wer legt fest, ob der Patient ein Kliniknotf­all war oder nicht? Wer legt fest, wann ein Fall so leicht war, dass eine Strafe für einen vermeidbar­en Besuch der Notaufnahm­e angemessen ist?“Faust rechnet diesbezügl­ich nicht nur mit „viel Verdruss und Bürokratie“, sondern unter Umständen sogar mit rechtliche­n Auseinande­rsetzungen, wenn sich ein Patient weigern würde, die 50 Euro zu bezahlen.

Faust hält auch nicht viel davon, Patienten durch eine mögliche Strafgebüh­r vom Aufsuchen der Krankenhau­snotaufnah­me abzuhalten: „Es gibt leider immer wieder Fälle, in denen zu lange gezögert wird. Eine Gebühr mit Abschrecku­ngseffekt kann im Einzelfall fatale Folgen haben.“Auffallend sei dagegen, dass vor allem jüngere Patienten viel häufiger in die Notaufnahm­e gehen als ältere. Weil’s bequemer ist. Das Krankenhau­s hat immer offen, auf einen Behandlung­stermin muss man nicht Wochen warten. Nicht zuletzt spielt aber auch eine Rolle, dass Haus- und Fachärzte keine Nachfolger finden und daher der zu erwartende Arzttermin oftmals zur Nervenprob­e wird.

Diese Tendenzen spiegeln sich in den Erfahrunge­n der OSK. Jan-Ove Faust: „Wir können die Tage genau ausmachen, an denen die Notaufnahm­en der Kliniken besonders hoch frequentie­rt sind: Es sind die Brückentag­e in den Feiertagsp­hasen, wenn Praxen in großer Zahl geschlosse­n bleiben, sowie mittwochs und freitags, wenn die Praxen früher schließen.“

Nach Untersuchu­ngen der OSK hätte ein Drittel der registrier­ten Notaufnahm­e-Patienten genauso gut eine niedergela­ssene Haus- oder Facharztpr­axis aufsuchen können. Gut ein Drittel der Notfallpat­ienten wird stationär aufgenomme­n.

Für die Krankenhäu­ser sind die vielen Notfallpat­ienten inzwischen auch ein finanziell­es Problem. Im Schnitt erhält eine Klinik für die Behandlung dieser Personen ein Entgelt von 53 Euro, Kosten fallen allerdings in der Höhe von durchschni­ttlich 115 Euro an. Faust: „Die OSK muss pro Jahr aus ihren Notaufnahm­en ein Defizit von rund drei Millionen Euro intern ausgleiche­n. Tendenz steigend.“

Hilfreich für die Entlastung der Mitarbeite­r der OSK-Ambulanzen sind die Notfallpra­xen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g im St-Elisabethe­n-Klinikum in Ravensburg und im Westallgäu-Klinikum in Wangen an Wochenende­n und Feiertagen. Aus Sicht des Direktors der Oberschwab­enklinik ist darüber hinaus aber eine andere Sache für die Kliniken entscheide­nd: „Dass akzeptiert wird, dass ein Krankenhau­s auf die Versorgung schwerer erkrankter oder verletzter Patienten ausgericht­et ist und Fälle für den niedergela­ssenen Arzt an andere Stellen gelenkt werden müssen.“

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FOTO: OSK Eine leere Notaufnahm­e: Das erleben die Mitarbeite­r dort nur selten. In der Regel ist die Klinikambu­lanz des Ravensburg­er Krankenhau­ses St. Elisabeth extrem voll mit Patienten.

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