Schwäbische Zeitung (Wangen)

Im Notfall muss niemand alleine bleiben

Hausnotruf­dienste sind für viele Menschen eine wichtige Hilfe – Tests offenbaren jedoch Mängel im Detail

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN/DÜSSELDORF - Der Anruf erreicht den Sohn im Büro. Seine Mutter könne sich heute nicht allein verpflegen, weil sie nicht aus dem Sessel hochkomme, sagt die Anruferin vom Hausnotruf. „Ich fahre hin“, antwortet der Sohn – der auch Autor dieses Textes ist – und hilft seiner pflegebedü­rftigen Mutter in der Mittagspau­se. Die schnelle Informatio­n erleichter­t in diesem Fall die Bewältigun­g des Alltags der Rentnerin. Der dahinter stehende Hausnotruf­dienst kann aber womöglich auch einmal Leben retten, etwa durch den Ruf eines Notarztes nach einem Sturz des Kunden im Bad. Doch es gibt auch Mängel, wie die Stiftung Warentest jetzt herausgefu­nden hat.

Unabhängig­keit und Freiheit

Die eigene Wohnung und die vertraute Umgebung gehören für viele Ältere zu den wichtigste­n Dingen auf Erden. Im Gegensatz zu Seniorenhe­imen stehen die eigenen vier Wände für Unabhängig­keit und Freiheit, so gut und lange es eben geht. Doch gerade Alleinsteh­ende tragen dabei ein Risiko, falls sie plötzlich Hilfe benötigen. Ein Notrufdien­st ist in diesem Falle eine gute Absicherun­g. Auf Knopfdruck wird der Kunde mit einer Notrufzent­rale verbunden. Die Mitarbeite­r dort können beispielsw­eise Angehörige oder Nachbarn informiere­n oder auch einen Rettungswa­gen herbeirufe­n. „Hausnotruf­dienste eignen sich für Menschen, die ihre Selbststän­digkeit erhalten wollen“, heißt es in einer Erklärung der Verbrauche­rzentralen, „jedoch durch Behinderun­g oder altersbedi­ngte Beeinträch­tigungen gefährdet sind und in Not das Telefon nicht rechtzeiti­g erreichen würden.“

Den Melder tragen die Kunden am Körper, zum Beispiel als Armband. Voraussetz­ung ist lediglich ein Telefonans­chluss in der Wohnung. Über diese Leitung läuft der Notrufdien­st. Nach Angaben der Stiftung Warentest sind bundesweit mittlerwei­le 900 000 Menschen an ein solches System angeschlos­sen. Der Service wird laut Verbrauche­rzentrale bundesweit in rund 350 Städten angeboten.

Die Kosten richten sich nach dem Leistungss­pektrum. Über den reinen Notruf hinaus bieten die Dienste Extra-Services an, vom Erinnerung­sruf zur Medikament­eneinnahme bis hin zur Schlüssela­ufbewahrun­g. Der Basisdiens­t kostet zwischen 23 und 29 Euro im Monat. Bei Pflegebedü­rftigen steuert die Pflegekass­e seit Juni 2018 statt der bisherigen gut 18 Euro nun 23 Euro bei. Zu den monatliche­n Gebühren kommen einmalige Anschlussk­osten, die zwischen 20 und 60 Euro liegen.

Doch über den Angeboten liegt auch ein dunkler Schatten. Die Stiftung Warentest hat die Dienste zum zweiten Mal nach 2011 getestet. Die in der August-Ausgabe der Zeitschrif­t „test“veröffentl­ichten Ergebnisse sind ernüchtern­d. Neun Anbieter, davon fünf gemeinnütz­ige Verbände, haben die Tester auf die Probe gestellt. Kein Anbieter erhielt eine gute oder sehr gute Note. Am besten schnitt mit einem „Befriedige­nd“noch der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) ab. Das private Unternehme­n Zembro wird als Schlusslic­ht sogar als „Mangelhaft“eingestuft.

„Kein Dienst ist uneingesch­ränkt zu empfehlen“, bedauert die Stiftung. Die wichtigste Aufgabe erfüllten dabei jedoch alle. Die fingierten Notrufe wurden bearbeitet, am besten vom ASB. Aber auch das Deutsche Rote Kreuz, der Malteser Hilfsdiens­t sowie die Johanniter schnitten hier gut ab. Schnelligk­eit ist beim Notruf gefragt. Meist hätten die Callcenter den Ruf innerhalb weniger Sekunden angenommen, heißt es im Testberich­t. Beim privaten Anbieter Zembro habe sich die Zentrale allerdings einmal gar nicht gemeldet, ein anderes Mal erst nach zwei Minuten.

Wie schon 2011 bemängeln die Prüfer auch diesmal ein zu geringes Einfühlung­svermögen der Notrufmita­rbeiter. „Viele Anbieter gehen zu wenig auf die Bedürfniss­e der meist älteren Kunden ein“, kritisiert die Stiftung. Sie sprachen etwa nicht laut genug oder verschwand­en schon mal aus der Leitung.

Die starke Abwertung hat dennoch weniger mit der Praxis als mehr mit den Geschäftsb­edingungen der Anbieter zu tun. In den Verträgen fanden die Tester deutliche Mängel und rechtswidr­ige Klauseln, etwa zum Haftungsau­sschluss. Die Verbrauche­rzentralen raten zu einer genauen Prüfung der angebotene­n Verträge. So könnten in den Klauseln noch versteckte Kosten enthalten sein. Auch der Vergleich verschiede­ner Angebote wird angeraten.

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FOTO: CHRISTOPH HARDT Im Notfall muss es schnell gehen – genau das sollen Hausnotruf­e garantiere­n. Diese wichtige Aufgabe erfüllen fast alle Anbieter.

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