Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der lange Weg zum Rückzug

Mario Gomez hat sich nach der Fußball-WM viele Gedanken gemacht – Teamkolleg­en sind verwundert

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STUTTGART (dpa) – Ron-Robert Zieler wusste über den Rückzug von Mario Gomez aus der Fußball-Nationalma­nnschaft zwar noch nicht mal Bescheid. Aber nach einer kurzen Irritation zog der Torhüter des VfB Stuttgart direkt das Positive aus dem Entschluss seines Teamkolleg­en. „So ist er frischer für uns“, meinte der Weltmeiste­r von 2014. Tatsächlic­h hielt sich bei den Schwaben die Enttäuschu­ng über die von Gomez zuvor via Facebook verkündete Erklärung nachvollzi­ehbar in Grenzen. Sportvorst­and Michael Reschke lobte sogar explizit die Art und Weise des Rücktritts: „Das hatte Klasse“, fand der Manager.

Dabei hatte der 33-Jährige nicht nur Teile der Öffentlich­keit, sondern auch viele seiner Teamkolleg­en überrascht. Zieler und Co. wurden von Gomez selbst im Rahmen des Testspiels gegen Atlético Madrid (1:1) am Sonntagnac­hmittag nicht informiert. Er habe das gar nicht mitbekomme­n, sagte Zieler etwas verdutzt rund eine Stunde nach dem Abpfiff der Partie. Dabei hatte Gomez seine Botschaft bereits etwa zwei Stunden vor dem Anpfiff online gestellt.

„Es war dann tatsächlic­h so, dass ich vor dem Spiel im Zimmer lag, die Mittagspau­se hatte angefangen“, erzählte Gomez im Anschluss. „Und dann habe ich auf ok gedrückt und dann ging das rund.“Rund ging es im Anschluss tatsächlic­h. Nach Mesut Özil ist Gomez der zweite Nationalsp­ieler, der sich nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Russland aus der DFB-Auswahl zurückzieh­t. Nur wenn Bundestrai­ner Joachim Löw künftig noch mal Bedarf sehe und er in entspreche­nder Verfassung sei, würde er noch mal zur Verfügung stehen, sagte er.

DFB-Kapitän Manuel Neuer und Joshua Kimmich vom FC Bayern München bedauerten den Rücktritt von Gomez. „Wie er bei der WM aufgetrete­n ist, das war schon besonders. Ein absoluter Führungssp­ieler“, sagte Kimmich: „Er hat sich für die Mannschaft zurückgeno­mmen. Aber er hat immer was gesagt, wenn ihm was aufgefalle­n ist. Er war sehr wichtig für die Mannschaft. Ich finde es schade, dass er zurückgetr­eten ist.“Neuer sagte: „Ich habe schon ein bisschen damit gerechnet. Er ist ein verdienter Nationalsp­ieler, der lange dabei gewesen ist.“

In Deckung geblieben

Nach 78 Länderspie­len, 31 Toren, fünf Turnier-Teilnahmen, aber auch der Enttäuschu­ng der verpassten WM 2014, ist nun aber erst mal Schluss. Gomez hat sich bewusst Zeit gelassen, um seinen Rückzug mitzuteile­n. Denn dieser habe schon lange vor dem enttäusche­nden Auftritt in Russland festgestan­den, erzählte er am Sonntagabe­nd in der Stuttgarte­r Arena. Aber Gomez blieb erst mal in Deckung. „Ich wollte mich einfach nicht einglieder­n in die Reihe derer, die nach der WM große Töne angeschlag­en haben“, erklärte er. Die Debatte um das sportlich ernüchtern­de Abschneide­n sei für ihn oft von Populismus geprägt gewesen. Ein Lautsprech­er war Gomez selbst trotz seiner bewegten Karriere tatsächlic­h noch nie gewesen. Also wartete er ab, beobachtet­e aus dem Urlaub, wie der öffentlich­e Raum mit teils harscher Kritik an der Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), an den Rassismusv­orwürfen von Özil, an Özil selbst, an Bundestrai­ner Löw oder an der desolaten Leistung der Mannschaft in Russland besetzt wurde. Gomez jedoch schwieg und machte sich währenddes­sen seine Gedanken.

„Da kommt noch einiges“

„Ich habe gedacht, wenn ich ein bisschen Luft raus nehme, dann wird das ein bisschen flacher, aber anscheinen­d ebbt die Welle nicht ab“, sagte er. Wahrschein­lich könnte die Debatte um eine personelle Neuausrich­tung der DFB-Auswahl nun sogar erst losgehen. Beim VfB Stuttgart dürften die Verantwort­lichen das von nun an allerdings aus einer entspannte­n Distanz beobachten. 45 Minuten durfte Gomez gegen Atlético spielen, es waren seine ersten Einsatzmin­uten nach der WM und dem anschließe­nden Urlaub. Er sei auf einem sehr guten Weg, sagte Trainer Tayfun Korkut: „Und ich glaube, da wird noch einiges kommen.“

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FOTO: IMAGO Applaus: Seit Sonntag konzentrie­rt sich Mario Gomez voll und ganz auf den VfB Stuttgart.

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