Schwäbische Zeitung (Wangen)

Lieber Hammer als Laptop

- Von Jürgen Schattmann

Im Sheraton an der Spree wird es heute Mittag zu einer Checkpoint-Charlie-artigen Brisanz kommen. 28 Jahre nach der Wiedervere­inigung wird das zusammenwa­chsen, was zusammen gehört – mein Laptop und ich, die versammelt­e Schwaben-Power, und das mitten im Feindeslan­d, in Berlin. Wir werden dann etwa 40 Stunden getrennt gewesen sein, 40 Stunden voller Sehnsucht und gegenseiti­ger Vorwürfe, wer denn Schuld hatte an der Trennung. Noch befindet sich der Laptop – einmal Schwabe, immer Schwabe – am Stuttgarte­r Flughafen respektive bei der DHL. Warum? Nun ja, es hängt mit diesen neuartigen Security-RöntgenChe­cks zusammen, bei denen die Fluggäste akrobatisc­he Pantomime aufführen müssen, die an Trockenübu­ngen für Diskuswerf­er erinnern, nur, um danach noch von Fremden am Hintern gekitzelt zu werden. Sowas verwirrt, da vergisst man gern mal den Blick fürs Wesentlich­e, nämlich für einen Laptop, der sich etwa 17 Plastikwan­nen hinter der Reisetasch­e befunden haben muss.

Es gibt übrigens nicht nur verpeilte EM-Reporter von der „Schwäbisch­en Zeitung“, es gibt auch verpeilte Leichtathl­eten. Der polnische Hammerwerf­er Pawel Fajdek, bekannt durch sein Zungenpier­cing und seine drei WM-Titel in Folge, ist in dieser Disziplin ein Vorbild. 2015 vergaß er in Peking seine Goldmedail­le im Taxi, hätte mir auch passieren können, später brach er seinem Coach Czeslaw Cybulski im Training aus Versehen das Bein. Das immerhin hätte mir nicht passieren können, ich hätte den Hammer irgendwo verlegt, vermutlich in der Nähe der Kaffeetass­e. Fajdek qualifizie­rte sich mit 77,86 Metern souverän fürs Finale, die Band Simon & Garfunkel kündigte an, sie wolle im Goldfall El Condor Pasa für ihn spielen – mit der legendären Zeile: „Ich wäre lieber ein Hammer als ein Nagel.“

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