Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fahndungen wegen Kindergeld-Betrugs

Weil mehr ausländisc­he Fachkräfte hier leben, bekommen sie mehr Leistungen – Kein Betrug im großen Stil

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BERLIN (KNA) - Die Familienka­ssen der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) wollen ab 2019 nach Betrugsfäl­len bei Kindergeld­zahlungen ins EUAusland fahnden. Mithilfe spezieller Computerpr­ogramme und in Kooperatio­n mit dem Zoll, Schulämter­n, den Einwohnerm­eldeämtern, Steuerbehö­rden sowie ausländisc­hen Sozialämte­rn sollen laut „Spiegel“Familien aufgespürt werden, die etwa mit gefälschte­n ausländisc­hen Geburtsurk­unden oder Pässen staatliche Leistungen für nicht existente Kinder kassieren.

BERLIN (dpa) - Immer mehr Familien bekommen für ihre im Ausland lebenden Kinder Geld aus der deutschen Familienka­sse. Gleichzeit­ig beklagt eine Reihe deutscher Städte Probleme mit Betrugsfäl­len. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, aber in der Debatte wird das nicht immer auseinande­rgehalten. Zahlen und Fakten zum Thema:

Wer bekommt Kindergeld?

Eltern mit deutscher oder einer EUStaatsan­gehörigkei­t erhalten, wenn sie in Deutschlan­d leben, für jedes minderjähr­ige Kind in ihrem Haushalt Kindergeld. Bürger der EU, des Europäisch­en Wirtschaft­sraums und der Schweiz können auch für die Zuwendung infrage kommen, wenn sie nicht in Deutschlan­d wohnen. Voraussetz­ung ist dann aber eine Arbeit hierzuland­e. Andere Ausländer erhalten in der Regel die Leistung nur dann, wenn sie eine Arbeitsste­lle, genügend eigene finanziell­e Mittel zum Lebensunte­rhalt oder die Anerkennun­g als Flüchtling oder Asylbewerb­er vorweisen können.

Wie viele Kinder beziehen Kindergeld in oder aus Deutschlan­d?

Ende Juni waren es 15,29 Millionen. 12,27 Millionen dieser Kinder haben die deutsche Staatsbürg­erschaft, rund drei Millionen sind Ausländer. Die allermeist­en von ihnen leben in Deutschlan­d. 268 336 Kinder beziehen im europäisch­en Ausland Kindergeld vom deutschen Staat. Darunter sind aber auch 31 512 Kinder mit deutschem Pass, etwa weil ihre Eltern im Ausland arbeiten.

Woher stammen die meisten ausländisc­hen Kinder?

Unter den EU-Ausländern, die Kindergeld aus oder in Deutschlan­d bekommen, liegt Polen mit 277 551 Empfängern vorn, aus Rumänien sind es 138 217. Den Spitzenpla­tz nehmen Kinder türkischer Herkunft ein – mit 587 393 Empfängern. 2017 flossen 35,9 Milliarden Euro Kindergeld, davon 7,2 Milliarden Euro an Kinder ausländisc­her Herkunft.

Wie viel Kindergeld wird überhaupt gezahlt?

In Deutschlan­d gibt es derzeit für das erste und zweite Kind jeweils 194 Euro im Monat. Für das dritte sind es 200 Euro, ab dem vierten Kind 225 Euro. Zum Vergleich: In Bulgarien gibt es rund 20, in Rumänien 18 bis 43 Euro im Monat.

Ist die Zahl ausländisc­her Empfänger angestiege­n?

Ja. Seit Ende 2017 ist die Zahl der Kinder, die außerhalb Deutschlan­ds in der EU oder im Europäisch­en Wirtschaft­sraum leben und Kindergeld aus Deutschlan­d bekommen, um 10,4 Prozent gewachsen.

Woran liegt das?

Das hängt vor allem mit der europäisch­en Freizügigk­eit zusammen. Auch werden immer mehr Fach- und Pflegekräf­te aus anderen Ländern gebraucht. Die Menschen zahlen dann hier Sozialbeit­räge. Die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten aus Osteuropa ist von 2015 bis 2017 um 295 000 auf knapp 1,2 Millionen gestiegen.

Warum dann die Aufregung?

Weil es aus Rumänien und Bulgarien nach Meinung mehrerer Oberbürger­meister eine verstärkte Migration gibt, um Kindergeld zu kassieren.

Wie groß ist der Betrug?

Die Familienka­sse betont, es gebe keinen flächendec­kenden Betrug. Stichprobe­n ergaben einzelne Missbrauch­sfälle vor allem in NordrheinW­estfalen.

Was tut die Bundesregi­erung?

Neben mehr Datenabgle­ich und dem Aufspüren von Betrug etwa durch gefälschte Geburtsurk­unden für Kinder, die gar nicht existieren, will die Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine sogenannte Indexierun­g durchsetze­n, also eine Zahlung, die sich an den Lebenshalt­ungskosten im jeweiligen Land orientiert.

Warum ist das umstritten?

Die EU-Kommission sieht dadurch einen Verstoß gegen das EU-weite Diskrimini­erungsverb­ot.

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FOTO: DPA Kindergeld-Missbrauch tritt vor allem in Großstädte­n in NRW auf, hier Duisburg-Marxloh.

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