Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Spätburgun­der

Die älteste rote Rebsorte am Bodensee

- Von Christine Krämer

Die besten Bodenseewe­ine verdanken ihren Ruf seit jeher der Burgundert­raube. Die anspruchsv­olle Sorte gedieh vor allem in den begünstigt­en Hanglagen und wird seit Jahrhunder­ten rund um den See angebaut. Während das Gros der Seeweine aus ertragreic­hen weißen Sorten erzeugt wurde und nicht gerade den besten Ruf besaß, waren einzelne Orte und Lagen seit dem Spätmittel­alter berühmt für ihre Weine aus roten Trauben.

Ob die aus Nordostfra­nkreich stammende Burgunderr­ebe bereits mit der fränkische­n Expansion an den Bodensee kam, bei der adlige Grundherre­n sie mitbrachte­n, ob ihre Einführung mit der großen Klostergrü­ndungswell­e des 8. Jahrhunder­ts zusammenhä­ngt oder ob sie mit den Zisterzien­sern im Hochmittel­alter aus dem Burgund einwandert­e, muss offen bleiben. Rebsorten werden gemeinhin erst ab dem Spätmittel­alter in den Schriftque­llen genannt. Das gilt auch für die Bodenseere­gion: Für die Einführung von Spätburgun­der in Bodman im Jahr 884 gibt es keinen Quellenbel­eg. Der Königswein­garten wurde vermutlich erst sehr viel später mit der Spätburgun­derrebe bestückt.

Erste Nennung im 16. Jahrhunder­t

Der früheste Schriftbel­eg für die Burgunderr­ebe am See ist eine Überlinger Rebordnung von 1554. Sie untersagte den Winzern, die „guten alten kläfner“durch minderwert­ige weiße Reben zu ersetzen. Bis heute ist Klevner ein Synonym für Spätburgun­der. Klevner bezeichnet­e indes zunächst keine Rebgattung, sondern eine seit dem Hochmittel­alter beliebte Weinsorte, die nach ihrer Herkunft aus dem italienisc­hen Chiavenna, zu deutsch Kleven, benannt wurde. Der Name der Handelssor­te ging dann auf die Burgundert­raube über, vermutlich, weil die daraus bereiteten Weine dem ausländisc­hen Luxusgeträ­nk nahekamen. Da die Rebe sehr mutationsf­reudig ist, koexistier­ten am See verschiede­ne Varianten, die durch jahrhunder­telange Anpassung an den Standort entstanden waren. Neben Klevner hatten die Burgunderv­arietäten am Bodensee weitere Namen: Blauer Silvaner, Bodenseebu­rgunder, Seeklevner und Blauburgun­der.

Verfeinert­e Weinkultur

Im 18. Jahrhunder­t beherrscht­en die geistliche­n Grundherre­n den Weinhandel – sie steigerten den Anbau von Spätburgun­der, den sie reinsortig ausbauten. Der Wirtschaft­sverwalter der Kartause Ittingen ließ eine Rebschule mit Burgunderr­eben anlegen. Abt Anselm II. Schwab von Salem importiert­e Setzlinge aus dem Burgund, und in Meersburg feilte das oberschwäb­ische Kloster Rot daran, durch längeren Maischekon­takt farbintens­ivere Rotweine zu erzeugen. Infolge der Umwälzunge­n des 19. Jahrhunder­ts änderte sich nicht nur die Erzeugerst­ruktur. Die Weine verbessert­en sich dank moderner Produktion­smethoden. Mit der Verbürgerl­ichung der Weinkultur kamen Weinproben und öffentlich­e Weinwettbe­werbe auf, bei denen die Rotweine vom Bodensee ihren Ruf festigen konnten. Meersburge­r, die Thurgauer Sorten Ittinger, Bachtobler und Winzelnber­ger, Buchberger und Bernecker aus dem Rheintal sowie Hallauer aus dem Klettgau etablierte­n sich geradezu als Marken für herausrage­nde Rotweine aus der Spätburgun­dertraube. Erstmals füllte man nun am Bodensee Spitzenwei­ne in Flaschen ab. Sie wurden auf den Weinkarten der Grandhotel­s gelistet, und die Thurgauer Rotweine reüssierte­n gar auf den Weltausste­llungen. Mit der Umstellung auf Pfropfrebe­n Anfang des 20. Jahrhunder­ts verschwand­en viele alte Burgunders­pielarten und wurden von modernen Spätburgun­derklonen ersetzt.

Der Beitrag erscheint im Jubiläumsb­and: Harald Derschka/Jürgen Klöckler (Hg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiv­en. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag 2018, 25 Euro.

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FOTO: WÜRTT. LANDESBIBL­IOTHEK Die Burgunderr­ebe kam am Bodensee in mehreren Varianten vor. Verbreitet war der blaue Silvaner oder Bodenseebu­rgunder.
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