Mit Hakenkreuz und Hitlerbärtchen beschmiert
Unbekannte vergreifen sich an Kinderschaufensterpuppe – Kriminalpolizei ermittelt
SCHLIER - Die Schaufensterpuppe sieht aus wie ein kleines Mädchen. Sie ist etwas über 80 Zentimeter groß und trug, als es passierte, was kleine Mädchen so tragen: eine Jeans, ein weißes T-Shirt mit türkisfarbenen Punkten, Hosenträger, pinkfarbene Turnschuhe an den Füßen und einen rosaroten Hut auf dem Kopf. Sie stand vor einem Hof in einem Teilort von Schlier. Dort sollte sie Auto- und LkwFahrer daran erinnern, dass Tempo 30 gilt und jederzeit tatsächlich ein kleines Mädchen auf die Straße springen könnte.
An dieser Puppe haben sich in der Nacht von 20. auf 21. Juli ein oder mehrere Unbekannte vergriffen. Sie haben ihr das T-Shirt und die Hosenträger ausgezogen, die Hose heruntergezogen, und mit einem schwarzen Stift sexuelle und nationalsozialistische Symbole auf ihren Körper gemalt. Als ein Nachbar ihrer Besitzerin sie am Morgen des 21. Juli fand, lag die Puppe mitten auf der Straße. Ihr rechter Arm war zum Hitlergruß erhoben, ein Hitlerbärtchen war ihr auf die Oberlippe, ein Hakenkreuz auf die Stirn und die linke Schulter gemalt. Ihre Hose war bis zu den Knien heruntergezogen. Hut, Hosenträger und T-Shirt fehlten. Ihre Besitzerin erstattete Anzeige. Die Kriminalpolizei ermittelt nun wegen der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“.
Arme der Puppe fielen ab
„Angst einflößend“nennt die Schliererin das, was mit ihrer Puppe passierte. „Wenn das ein blöder Scherz sein soll, macht man was anderes“, meint sie. Besonders beunruhigt sie, dass in der besagten Nacht, der Nacht von Rutenfreitag auf Rutensamstag, nichts zu hören war. „Es war heiß, deshalb hatten wir die Fenster auf. Aber ich hab nichts gehört. Unser Nachbar hat zwei Hunde, aber auch die haben nicht angeschlagen. Der oder die Täter müssen sehr leise gewesen sein. Das macht es noch unheimlicher.“Ihr Hof liegt am Rand des Schlierer Teilorts. Eine Bushaltestelle ist ganz in der Nähe. Doch da fährt so spät nachts kein Bus mehr. „Es muss nach halb eins passiert sein. Morgens um kurz vor sieben hat sie dann unser Nachbar auf der Straße gefunden.“Der Nachbar legte sie ihr in den Hof, dabei fielen die Arme der Schaufensterpuppe ab. Erst später, als die Besitzerin versuchte, die Puppe wieder zusammenzusetzen, fiel ihr die merkwürdige Stellung des rechten Armes auf. „Der Arm muss nach oben gebogen worden sein. Dazu braucht man schon Kraft. Auch sonst sieht man der Puppe an, dass sie Gewalt angewendet haben.“Abgesehen von der Bemalung trug die Puppe einige Kratzer davon.
Die Puppe hatte die Schliererin vor etwa einem Jahr auf einem Flohmarkt gekauft. Seither stellte sie sie immer mal wieder raus an die Straße, mit Hosenträgern am Zaun befestigt. „Der Effekt ist perfekt“, sagt ihre Besitzerin, die selbst Kinder hat. „Die fahren hier sonst viel zu schnell. Aber sobald sie die Puppe sehen, bremsen sie ab. Nichts funktioniert so gut wie die Puppe. Weder ein Blitzer noch eine Tafel, die die Geschwindigkeit an- zeigt.“
Um den Effekt nicht verpuffen zu lassen, stellte sie die Puppe nicht immer raus. Auch nachts komme sie normalerweise rein, erzählt die Schliererin. Aber eben nicht in der besagten Nacht. Davor war die Puppe ungefähr zwei Wochen lang draußen gestanden. Ihre Besitzerin hatte an dem Abend keine Bedenken, sie auch über Nacht draußen zu lassen. „Bisher war ihr nichts passiert. Wir sind hier ja auf dem Land“, sagt sie. Dann am Samstagmorgen der Schock.
„Als ich sie sah, war ich geschockt. So, wie ihre Position und Kleidung arrangiert waren, sah sie aus, als sei sie vergewaltigt worden. Ich rief gleich bei der Polizei an.“Diese nahm die Anzeige auf. Laut Polizeisprecher Markus Sauter ermittelt die Kriminalpolizei wegen der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Darunter fällt auch das Hakenkreuz als Kennzeichen der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“, kurz NSDAP, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verboten wurde. Nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs kann der Verstoß gegen das Verbot mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Nach Abschluss der Ermittlungen werde der Fall an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, so Sauter.
„Wenn sie geklaut worden wäre, hätte ich nichts gesagt, aber das…“, so die Puppenbesitzerin. Größer als der materielle Schaden sei ohnehin der emotionale Schaden, meint die Schliererin. „Es ist so nah da. Wenn das irgendwo in einer Großstadt passiert wäre, okay. Aber hier? Die Welt hier auf dem Dorf ist so vielfältig, bunt und trotzdem friedlich, und das soll sie auch bleiben. Ich finde, wir dürfen solche Vorfälle nicht einfach so hinnehmen. Wehret den Anfängen.“