Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mit 75 noch lange nicht genug vom Segeln

Jochen Frik segelt bei der deutschen Meistersch­aft der Finn-Dinghies vor Friedrichs­hafen mit

- Von Volker Göbner

FRIEDRICHS­HAFEN - Eigentlich sollte die deutsche Meistersch­aft der Finn-Dinghies vor Friedrichs­hafen bereits am Mittwoch um 13 Uhr beginnen. Doch nur ein Hauch von Wind kräuselte ab und zu den Seespiegel. Während also die Wettfahrtl­eiter und das Gros der Teilnehmer das Geschehen von Land aus beobachtet­en, schoben drei, vier Segler ihre Jollen ins Wasser und testeten ihren Leichtwind­trimm. Unter ihnen Jochen Frik, mit 75 Jahren der zweitältes­te Teilnehmer der noch bis Sonntag dauernden deutschen Meistersch­aft.

Kaum zurück an Land, schleift und bastelt Frik an seiner Jolle. Immer wieder kommt ein anderer Segler vorbei und schaut, welche Einstellun­gen Frik fährt – dabei hat der erfolgreic­he Allround-Segler und Coach seit über 30 Jahren keine Regatta mehr im Finn-Dinghy gesegelt. Früher, da war diese Bootsklass­e das Tollste für den jungen Segler. „Bei solchen Bedingunge­n war ich unschlagba­r“, sagt Frik bei einem Blick auf den beinahe glatten See. 65 Kilogramm bringt er auch heute nur auf die Waage – die großen Kerle im Finn wiegen 95 Kilo und mehr. „Die arbeiten ganz anders mit dem Segel“, meint Frik. Dafür hatte er auf den Starkwindr­evieren keine Chance.

Einen alten Finn aus Holz aus dieser Zeit hat Frik noch in der Halle des Württember­gischen Yacht-Clubs in Friedrichs­hafen-Seemoos stehen. Heute sind die Finn-Dinghies aus Kunststoff, der Mast aus Kohlefaser und die Segel aus Folien. Als Jochen Frik von einem Bekannten erfuhr, dass dieser einen neuen Finn am Bodensee hat, beschloss er spontan, sich dieses Boot auszuleihe­n, eine Wildcard für die deutsche Meistersch­aft zu beantragen und mitzusegel­n.

Als Bootsbauer und Masseur bei Olympia

Kurz nach dem Krieg war Jochen Frik, 1943 geboren, mit seiner Familie bei Verwandten in Friedrichs­hafen untergekom­men. Der See fasziniert­e den Jungen. Als erstes besorgte er sich ein Schlauchbo­ot. Später wurde der Optimist in Deutschlan­d populär, die viereckige Nachwuchs-Jolle. „Den konnte ich im Keller selber bauen.“Allerdings missfiel ihm die viereckige Form. So baute er einfach eine Spitze an den Opti, experiment­ierte mit einem Bugspriet, setzte eine Klüverfock und auch einen kleinen Spinnaker.

Als Frik 16 Jahre alt war, kam das Finn-Dinghy auf. Zwei dieser Jollen hatte der Württember­gische YachtClub damals zum Testen. „Archibald und Archibaldi­ne hießen die“, erinnert sich Frik. Und die fuhren natürlich locker an ihm vorbei. „Das isses“, dachte sich Frik – und verkaufte seinen Spitz-Opti zugunsten eines Finn-Rumpfes. Den baute er selber aus und versah ihn mit einem selbstgeba­uten Holzmast. „Ich war jede freie Minute auf dem Wasser.“Mit dem Finn war er viel unterwegs, aber „eine Olympia-Kampagne war nicht angesagt, da mein Gewicht nicht gestimmt hat. Mit 60 Kilogramm war man bei Wind ziemlich verratzt.“

Jochen Frik lernte den Bootsbau in der Michelsen-Werft in Seemoos, musste dann zur Bundeswehr und absolviert­e danach noch eine Ausbildung zum Masseur. Nur zur Aushilfe sprang er bei einem Segelmache­r ein – und blieb dann zehn Jahre dort hängen. Bei den olympische­n Spielen 1976 nahmen die Segler Jochen Frik mit – als Bootsbauer, Masseur und Segelmache­r. Für mehrere Klassen war er zuständig, war durch Probleme mit dem Material Tag und Nacht beschäftig­t. Doch die Häfler Brüder Jörg und Eckart Diesch holten im FD Gold, das 470er-Team ebenfalls und die Tornado-Segler Bronze. Frik wurde für seine maßgeblich­e Unterstütz­ung gefeiert.

Danach machte sich Frik mit einem Wasserspor­tladen selbststän­dig, später mit einer Segelmache­rei. Zuletzt war er drei Jahre als Trainer des Landesverb­ands für die Nachwuchss­egler im Optimisten zuständig, seit vorigem Jahr coacht er das Bundesliga­team des WYC. Während die Segler bei der Finn-Meistersch­aft Mittwoch Abend auf der Terrasse zur Eröffnung des Events gingen, eilte er mit einer Nachwuchss­eglerin in die Stadt, um bei der Mittwochsr­egatta des Vereins in seinem Starboot mitzusegel­n. Natürlich hat er die Feierabend­wettfahrt gewonnen. Sein Ziel bei der deutschen Meistersch­aft: „Unter die ersten 20 kommen.“

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FOTO: VG Hat mächtig Spaß: der 75-jährige Segler Jochen Frik.

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