Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gerät das Siezen endgültig aus der Mode?

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Mag sein, dem ein oder anderen schwillt der Kamm, wenn er von Fremden auf der Straße geduzt wird. Und manchen graust es, im Rahmen einer verordnete­n Wir-sind-alle-eine-Familie-Betriebsku­ltur auch den Chef duzen zu müssen. Viele reser- vieren das „Du“immer noch für Menschen, mit denen sie schon das Badewasser geteilt haben. Während das formellere „Sie“automatisc­h mit Respekt und Distanz in Verbindung gebracht wird. Kann ich einerseits verstehen.

Anderersei­ts reden wir am Ende doch nur über zwei schlichte Wörtchen, über sprachlich­e Gepflogenh­eiten, die sich ändern können, ohne dass das Abendland samt seinen herrlichen gesellscha­ftlichen Hierarchie­n und Dünkeln untergeht. Gott bewahre, Ihro Gnaden! Respekt ist zweifellos der Schlüssel im täglichen Miteinande­r. Aber das „Sie“garantiert ihn nicht. Und das „Du“gefährdet ihn nicht. Jedenfalls nicht, wenn der Duzfreund über die richtige innere Haltung verfügt. Warum also die ganze Sache nicht vereinfach­en? Es wäre so manches Fettnäpfch­en und so mancher Eiertanz (Wer muss nochmal wem das Du anbieten?) zu umgehen. Die Schweden haben’s vorgemacht: Seit der Du-Reform in den 70er-Jahren sind umständlic­he Anreden abgeschaff­t. Hat dem Land nicht geschadet.

p.lawrenz@schwaebisc­he.de

Nur mal so locker in die Runde gefragt: Möchten Sie den bärbeißige­n Herrn, der leider nicht nur für seine geschmackl­ose Krawatte mit den albernen Hundemotiv­en berühmt-berüchtigt ist, tatsächlic­h in freundscha­ftlicher Attitüde „Alexander“nennen? Oder doch lieber „Herr Gauland“? Es wird

Sie hoffentlic­h nicht verdutzen, dass ich angesichts dieses Unsympathi­eträgers die zweite Variante bevorzuge.

Schon richtig: „Du“oder „Sie“sind nur zwei schlichte Wörtchen, über die wir hier streiten. Aber sie machen den entscheide­nden, für beide Seiten spürbaren Unterschie­d zwischen vertraulic­her Nähe und notwendige­r Distanz, die ich etlichen – gerade auch unangenehm­en – Zeitgenoss­en gegenüber gern zu wahren pflege. Warum also bewährte Gepflogenh­eiten über Bord werfen? Weil die erfolgreic­hen Möbelpuzzl­er aus Schweden („Siezt du noch oder schraubst du schon?“) das so vorplapper­n? Es ist doch ein Trugschlus­s, dass der Inbusschlü­sselverwal­ter, der den Filialleit­er „Björn“nennen darf, die Hierarchie­stufen abgehobelt hat und jetzt glücklich Pate von Björns Kindern wird. Da bin ich eher bei Herbert Wehner, der auf die Anfrage eines duzwillige­n Genossen einst eindeutig zweideutig antwortete: „Das können Sie halten, wie du willst.“Respekt, Onkel Herbert!

Von Petra Lawrenz

Von Dirk Uhlenbruch

d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Das Du ist nicht per se respektlos. Distanz zu manchen Zeitgenoss­en ist angebracht.

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