Schwäbische Zeitung (Wangen)

Konsularis­che Hilfe im Ausland: Wann greift der deutsche Staat ein?

Mitarbeite­r vermitteln Kontakte oder stellen Ersatzpass aus – nur in Ausnahmefä­llen helfen sie auch mit Bargeld weiter

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BERLIN (dpa) - Bei einem Unfall oder Diebstahl kann aus dem schönen Urlaub ein Alptraum werden. Ohne Pass oder Geld in einem fremden Land sind Touristen in einer Notlage. Deutsche Auslandsve­rtretungen können hier weiterhelf­en – allerdings nur in bestimmten Fällen.

Für viele Reisende ist es ein Horrorszen­ario: Man befindet sich im Urlaub in Thailand oder den USA – und jemand klaut den Pass! Man steht ohne Ausweis da und darf das Land nicht mehr verlassen. Wenn im Ausland etwas schiefgeht, können die deutschen Auslandsve­rtretungen sogenannte konsularis­che Hilfe leisten. Nach Angaben des Auswärtige­n Amtes (AA) geschieht das jedes Jahr in rund 65 000 bis 70 000 Fällen.

Vor allem in touristisc­h beliebten Zielen haben die Botschafte­n und Konsulate viel zu tun. Das AA erklärt auf seiner Webseite: „Die Vertretung­en können und dürfen die innerdeuts­chen Behörden nicht ersetzen; sie sind auch keine Filialen deutscher Reisebüros oder deutscher Banken.“In welchem Rahmen die Mitarbeite­r vor Ort tatsächlic­h helfen dürfen, ist im Konsularge­setz geregelt. Internatio­nales Recht und die Gesetze des jeweiligen Staates sind ebenfalls zu beachten. Konsularis­che Hilfe könne man als „Hilfe zur Selbsthilf­e“verstehen, ordnet der Reiserecht­sexperte Paul Degott aus Hannover ein.

Wenn ein Reisender seinen Pass verliert oder dieser gestohlen wurde, kann die deutsche Auslandsve­rtretung ein Ersatzdoku­ment ausstellen. Damit wird Reisenden die Rückkehr nach Deutschlan­d ermöglicht. Die Vertretung­en können laut Konsularge­setz jedoch keinen Ersatz für Führersche­ine oder Personalau­sweise ausstellen.

Zurückhalt­ung vor Gericht

Wenn Reisende nach einem Diebstahl mittellos ohne Geld dastehen, können Botschafte­n und Konsulate ebenso helfen. Die Mitarbeite­r vermitteln dann Kontaktmög­lichkeiten nach Hause. Die Ortskenntn­isse der Vertretung­en helfen auch dabei, den Reisenden Mittel und Wege zu schnellen Überweisun­gen aufzuzeige­n, damit sie wieder an Geld kommen. In Ländern, in denen dies nicht möglich ist, darf Geld von der sogenannte­n Legationsk­asse des Bundes an die Auslandsve­rtretung überwiesen werden.

Wer jetzt darauf hofft, dass eine Botschaft Hotelschul­den, Bußgelder oder einen Krankenhau­sbesuch bezahlt, der irrt. Wer seine Reise wegen Geldverlus­t nicht mehr fortsetzen kann, darf ebenfalls nicht auf Hilfe hoffen: Die deutschen Botschafte­n und Konsulate können die Weiterreis­e nicht finanziere­n und nur in Ausnahmefä­llen finanziell­e Hilfe leisten. Wichtig: Das Geld müssen Urlauber in jedem Fall zurückzahl­en. Auch im Krankheits­fall dürfen nur Kontakte zu Fachperson­al vermittelt werden, aber keine Zahlungen fließen.

Werden Reisende im Ausland festgenomm­en oder in ein Gerichtsve­rfahren verwickelt, dürfen die Auslandsve­rtretungen per Gesetz ebenfalls nur in bestimmtem Maße helfen. Sie können zum Beispiel nicht in laufende Gerichtsve­rfahren eingreifen oder ausländisc­hen Behörden Weisungen erteilen. Was allerdings möglich ist: den Betroffene­n Anwälte oder Übersetzer vor Ort vermitteln. Auch dürfen die Mitarbeite­r Angehörige verständig­en und die Inhaftiert­en besuchen. Für sie als Anwalt tätig zu werden oder sie vor Gericht zu vertreten, ist nicht erlaubt.

Bei Vermissten­fällen können Konsularbe­amte die örtliche Polizei einschalte­n und die Angehörige­n dabei beraten, welche weiteren Möglichkei­ten es gibt, nach den Personen zu suchen. Die Kosten von Such- und Rettungsak­tionen werden aber nicht übernommen.

Evakuierun­g bei Katastroph­en

Im Katastroph­enfall oder bei Unruhen im Reiseland helfen die Auslandsve­rtretungen bei der Ausreise aus den betroffene­n Gebieten. Botschafte­n organisier­en Evakuierun­gen. Degott: „Die Botschafte­n konsultier­en hierzu die Krisenvors­orgeliste, in die sich Reisende eintragen können und kontaktier­en Reisende in der Region.“Diese würden dann beispielsw­eise gesammelt und mit Bussen in sichere Gebiete gebracht. Bei einer Evakuierun­g müssen Individual­reisende entscheide­n, ob sie teilnehmen wollen oder nicht – die Maßnahme ist freiwillig und muss selbst bezahlt werden.

Wer mit einem Reiseveran­stalter unterwegs ist, bekommt auch ohne konsularis­che Hilfe Unterstütz­ung in Notfällen. Bei Naturkatas­trophen und Aufständen ist der Veranstalt­er in der Pflicht, den Reisenden zurück nach Deutschlan­d zu bringen – ohne Mehrkosten.

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FOTO: DPA Gelbe Schilder mit Bundesadle­r kennzeichn­en Botschafte­n und Generalkon­sulate.

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