Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der ganz Große mit den zwei Herzen

Der Kia Optima Sportswago­n Plug-in-Hybrid macht Laune, rentiert sich aber nicht in jedem Fall

- Von Anton Fuchsloch

Das ist aber ein ziemlich dickes Schiff. Fast fünf Meter lang und mehr als zwei Meter breit, stellt der Kia Optima Sportswago­n so ziemlich alle Kombis seiner Klasse in den Schatten. Die Koreaner haben den Testwagen in der Premiumver­sion „Spirit“geliefert – matt schneeweiß metallic mit schwarzer Lederinnen­ausstattun­g. Sie macht was her und kommt der Modellbeze­ichnung Optima (die Beste) am nächsten. Auch drinnen geht es vornehm her: Das Fahrergest­ühl wird beim Aussteigen nach hinten geschoben, und nach dem Schließen der Tür gleitet der Sitz auf die zuvor eingestell­te Position. Nach Betätigen des Startknopf­es wachen farbige Displays auf, ansonsten tut sich erst mal nichts. Den Knüppel auf D, den Fuß leicht aufs Gaspedal, und schon rollt er weg – sanft und lautlos.

Unter der langen Haube schlagen zwei Herzen: ein Zwei-Liter-Benziner mit 156 PS und ein direkt ans Sechsstufe­n-Automatikg­etriebe gekoppelte­r Elektromot­or mit 68 PS. Der schiebt die 1,8 Tonnen erst einmal allein an. Gespeist wird er von einer Lithium-Ionen-Polymer-Batterie im Gepäckraum­boden. Diese kann von außen – an der heimischen Steckdose oder an einer Ladesäule – geladen werden und sorgt im günstigste­n Falle für so viel Power, dass das Auto 62 Kilometer rein elektrisch bewegt werden kann.

Ähnlich wie der angegebene Kombiverbr­auch von 1,4 Litern Benzin auf 100 Kilometer, ist diese Reichweite im Alltagsgeb­rauch utopisch. Die energetisc­he Bilanz zweier Testwochen fällt deshalb ernüchtern­d aus: Der Spareffekt des Plug-in-Hybriden ist bei kombiniert­er Fahrweise marginal. Wer den Kombi vorwiegend auf mittleren und langen Strecken nutzt, auf der Autobahn auch mal mehr als 130 Sachen fährt und nicht alle 50 Kilometer an die Steckdose will/kann, der muss mit einem Verbrauch von acht und mehr Litern rechnen. Drunter kommt nur, wer vorwiegend auf Kurzstreck­en unterwegs ist, gemächlich fährt und den Akku möglichst oft ans Netz hängt.

Doch da beginnt schon das Manko. An der Steckdose in der heimischen Garage funktionie­rt das Laden ganz ordentlich. Dank Rückfahrka­mera und 360-Grad-Rundumsich­t gelingt auch das Rangieren in die Tiefgarage­nbox ganz passabel. Hektik und Eile sind hier ebenso fehl am Platz wie beim Stromnacht­anken: Erst nach fünf Stunden ist der Akku voll. Elf Kilowattst­unden hat die Batterie aus der Leitung gezogen. Bei 0,25 Euro/kWh wären das 2,75 Euro für eine Füllung. Das Display gibt jetzt eine Reichweite von 57 elektrisch­en Kilometern an. Vollgelade­n spult der Kia im EV-Modus (Elektro Vehikel) dann auch etwa 50 Kilometer lautlos ab – vorausgese­tzt, das Gaspedal wird nur mit der Zehenspitz­e gestreiche­lt.

Elektromot­or als Generator

Bei zügiger Beschleuni­gung beziehungs­weise ab 120 km/h springt der Benzinmoto­r bei. Im HEV-Modus (Hybrid EV) dient der Elektromot­or gleichzeit­ig als Generator, das heißt, die Akkus werden während der Fahrt nachgelade­n, was den Ladezustan­d fast konstant hält.

Das Laden an öffentlich­en Stromtanks­tellen funktionie­rt zwar zügiger, doch schon die erste Säule streikt. „Dieser Ladepunkt ist belegt“, steht auf dem Display der Fast-e Station auf dem Parkplatz des Friedrichs­hafener Bodensee-Centers. Weit und breit ist dort aber kein E-Mobil zu sehen. Der Versuch, die Servicenum­mer anzurufen, endet im Nirwana: „Diese Rufnummer ist uns nicht bekannt“. So viel zu einem, wie es in großen Lettern auf der Ladesäule heißt, „von der EU kofinanzie­rten“Zukunftspr­ojekt. Die Emma-Ladesäulen des Stadtwerk am See haben uns zwar noch nie im Stich gelassen, doch mangels passendem Kabel können wir sie für den Kia nicht nutzen.

Kurz beunruhigt hat uns die Anzeige im Display: „Tanken, um Batteriesc­haden zu vermeiden“. Man sollte sich also nicht auf die paar Restkilome­ter aus dem Akku verlassen.

Laden der Batterie aufwendig, elektrisch­e Reichweite gering, schwammige Lenkung, träger Motor, Materialie­n teilweise sehr einfach

Trotz seiner fast fünf Meter lässt sich der Kia Optima leicht manövriere­n. In Kurven fühlt sich die Lenkung allerdings etwas schwammig an. Die Federung ist eher auf Komfort abgestimmt, was zu einem Kombi dieser Größe passt. Schlaglöch­er werden gut ausgebügel­t, dringen aber akustisch voll durch. Die Automatik schaltet eher gemächlich, und selbst mit durchgetre­tenem Gaspedal kommen die Pferdchen erst nach und nach auf Trab. Dann aber sprinten sie leichtfüßi­g weiter und machen bei 200 km/h noch nicht Halt.

Die Ledersitze lassen sich beheizen und belüften, was winters unentbehrl­ich und sommers angenehm ist. Die Bedienung von Infotainme­nt, Assistente­n, Klima und Navi gibt keine Rätsel auf. Alles ist einfach zu handhaben und logisch angeordnet. Es fehlt nichts von dem, was der Chauffeur eines modernen Mittelklas­sewagens erwartet: autonomer Notbremsas­sistent, adaptive Geschwindi­gkeitsrege­lanlage, Spurhaltea­ssistent mit Lenkeingri­ff, Spurwechse­lassistent und zahlreiche weitere Helfer stehen bereit. Ideal positionie­rt ist der im Armaturenb­rett integriert­e Touchscree­n. Zu diesem technologi­sch hohen Niveau wollen das dunkelgrau­e Plastik der Türverklei­dung und der dünne Filz im Gepäckraum nicht recht passen.

Die Batterie im Gepäckraum­boden schluckt circa 100 Liter Volumen, die verbleiben­den 440 Liter sind jedoch für jeden Familienau­sflug ausreichen­d. Nach Umlegen der Rücksitzle­hnen steigt die Ladekapazi­tät auf 1574 Liter. Die Heckklappe öffnet und schließt elektrisch.

Fazit der zweiwöchig­en Testfahrte­n: Ein solches Schiff als Plug-inHybrid durch die Lande zu bewegen, macht durchaus Laune, aber meist wenig Sinn – und ist außerdem mit Arbeit verbunden. Der Kia Optima Sportswago­n ist ein idealer Reisewagen, der seine Vorzüge als Packesel und auf langen Strecken ausspielen kann. Aber gerade hier kommt der zusätzlich­e Elektroant­rieb an seine Grenzen. Selbst bei optimaler Nutzung und nach Inanspruch­nahme des Umweltbonu­s in Höhe von 3000 Euro lässt sich der Mehrpreis von mindestens 10 000 Euro für den Plug-in-Hybriden nie und nimmer hereinfahr­en. Für umweltbewu­sste Pendler hingegen, die komfortabe­l zur Arbeit kommen wollen, nachts Strom tanken können und selten Langstreck­en fahren, könnte der Kia genau der Richtige sein.

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FOTO: KIA Der Optima Sportswago­n ist ein idealer Reisewagen. Auf Langstreck­en aber kommt der zusätzlich­e Elektroant­rieb an seine Grenzen.
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Komfortabe­l, geräumig, bedienerfr­eundliche Instrument­e, großzügig ausgestatt­et mit Assistente­n
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