Schwäbische Zeitung (Wangen)

Portugals Weg vom Sorgenkind zum Musterschü­ler

Die Schulden sinken, die Wirtschaft wächst: Wie das südeuropäi­sche Land die Skeptiker überzeugte

- Von Ralph Schulze

MADRID - „Es ist unmöglich, optimistis­cher als António Costa zu sein“, sagte Portugals Staatspräs­ident Marcelo Rebelo de Sousa über den portugiesi­schen Premier. „Sogar wenn es draußen regnet, sieht er noch die Sonne.” Der 57-jährige Sozialist Costa hat immer ein Lächeln auf den Lippen, mit dem er erfolgreic­h Staatsgäst­e und Investoren umgarnt. Diesem Charme konnte sich auch Deutschlan­ds christdemo­kratische Bundeskanz­lerin Angela Merkel nicht entziehen, die vor einigen Wochen Portugal besuchte und sich vom portugiesi­schen Aufschwung angetan zeigte.

Heute ist Portugal so etwas wie ein Musterschü­ler in der EU. Das liegt zum großen Teil an Regierungs­chef Costa. Als er 2015 mit seiner sozialisti­schen Minderheit­sregierung seinen Dienst antrat, wurden ihm von Berlin und Brüssel wenig politische Überlebens­chancen eingeräumt. Doch der frühere Bürgermeis­ter Lissabons schaffte das kleine Wunder: Er führte mit seiner Regierung das Euro-Schuldenla­nd aus der Krise, kurbelte die Wirtschaft an und überrascht­e die Skeptiker mit einem stetigen Defizitabb­au. Aber vor allem impfte er Portugal ein neues Selbstbewu­sstsein ein.

Traumhafte Sympathiew­erte

Die Portugiese­n bedanken sich bei ihrem Regierungs­chef mit außergewöh­nlichen Popularitä­tswerten, von denen andere sozialisti­sche Spitzenpol­itiker in Europa nur träumen können. Laut den neusten Wahlumfrag­en kann Costa derzeit mit annähernd 40 Prozent der Stimmen rechnen, deutlich mehr als bei der letzten Parlaments­wahl im Herbst 2015, als Costa 32 Prozent holte. Seitdem regiert er mit einem Minderheit­skabinett, das im Parlament von zwei kleinen Linksparte­ien gestützt wird.

Doch Costas Erfolg wäre ohne seinen Chefsanier­er, Finanzmini­ster Mário Centeno, undenkbar. Vor allem diesem unabhängig­en, den Sozialiste­n nahestehen­dem Wirtschaft­swissensch­aftler ist es wohl anzurechne­n, dass Portugal aus dem Tal kam. Centeno schaffte es, das Defizit, das 2010 bei über elf Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s lag, im Jahr 2017 auf drei Prozent zu reduzieren; 2018 soll die Verschuldu­ngsquote auf unter ein Prozent fallen. Diese Leistung katapultie­rte Centeno inzwischen sogar auf den Chefsessel der Eurogruppe. Und sie machte ihn zugleich zum beliebtest­en Politiker Portugals.

Auch wirtschaft­lich läuft es rund: Die Arbeitslos­enquote sank laut Eurostat auf 6,7 Prozent, die Wirtschaft wuchs in 2017 um 2,7 Prozent und der Motor scheint im laufenden Jahr nicht zu stottern. Eine Konjunktur, die vor allem angetriebe­n wird vom internatio­nalen Tourismus, der im vergangene­n Jahr um zwölf Prozent zulegte. Dies bewirkte, dass das Vertrauen fünf Jahre direkt gewählt. Die Mitgliedsc­haft in der EU sehen laut der aktuellen Eurobarome­terUmfrage zwei Drittel der Bevölkerun­g als positiv an. Die Wirtschaft wuchs in 2017 um 2,7 Prozent. Der wichtigste Konjunktur­motor ist der Tourismus. Die Arbeitslos­enquote beträgt aktuell 6,7 Prozent. Die Gesamtvers­chuldung sinkt weiter nur langsam und betrug zuletzt 126 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (PIB). (ze) der Investoren zurückkehr­te: Zwei große Ratingagen­turen stufen Portugal inzwischen wieder als kreditwürd­ig ein und setzten die Staatsanle­ihen vom Ramsch-Status auf eine seriösen Investment-Stufe herauf.

Gute Nachrichte­n, die dazu beitragen, dass der Sozialist Costa fest im Sattel sitzt. Und sich Hoffnungen auf eine zweite Amtszeit machen kann. Zumal er sich im Volk auch noch mit sozialen Wohltaten beliebt machte: Costa setzte die Mindestlöh­ne herauf, führte vier von der früheren konservati­ven Regierung gestrichen­e Feiertage wieder ein und gab den Beamten die 35-Stunden-Woche zurück, welche im Zug der Sparpoliti­k von den Konservati­ven gestrichen worden war.

Die Löhne bleiben niedrig

Nur für ein Problem fand Costa bisher kein Gegenmitte­l: Die Portugiese­n haben keine Lust auf Nachwuchs, die Gesellscha­ft überaltert. Portugal gehört mit einer Geburtenra­te von 1,36 Kindern pro Frau zu den EU-Schlusslic­htern. Zugleich wandern viele junge Menschen aus, weil sie im Ausland sehr viel mehr verdienen als in Portugal. Dort liegt der Durchschni­ttslohn bei rund 1000 Euro netto pro Monat. Zur demografis­chen Herausford­erung muss sich Costa noch etwas einfallen lassen.

Hier finden Sie alle bisherigen Teile der Europa-Serie: www.schwäbisch­e.de/ sommerseri­e-europa

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany