Schwäbische Zeitung (Wangen)

Dürre-Versicheru­ng für Bauern zu teuer

Spezialver­sicherer Rainer Langner fordert Zuschüsse wie bei europäisch­en Nachbarn

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RAVENSBURG - Viele Landwirte in Deutschlan­d müssen in diesem Jahr erhebliche Dürreschäd­en verkraften. Während in anderen EU-Ländern Versicheru­ngen einen Teil der Ernteausfä­lle kompensier­en, sind die Bauern hierzuland­e auf sich allein gestellt. Warum das so ist und was sich in der Agrarversi­cherung ändern muss erklärt Rainer Langner, Vorstandsc­hef der Vereinigte­n Hagelversi­cherung, im Gespräch mit Andreas Knoch.

Herr Langner, die Hitze und Trockenhei­t der vergangene­n Wochen werden teils zu erhebliche­n Ernteausfä­llen führen. Wie hoch schätzen Sie die Schäden, auf die sich die Landwirte einstellen müssen?

So, wie sich die Lage zurzeit darstellt müssen die Landwirte wohl mit Schäden von mehr als zwei Milliarden Euro rechnen. Inwieweit sich die Ausfälle durch höhere Preise zumindest teilweise kompensier­en lassen, können wir aktuell noch nicht abschätzen.

Ist das Jahr 2018 ein Extremjahr?

Ja, 2018 ist was Dürreschäd­en angeht ein Extremjahr. Wir hatten 1993 und 2003 zwar auch Jahre mit schweren Dürreschäd­en. Doch damals lagen die Preise für die betroffene­n Feldfrücht­e 20 bis 30 Prozent niedriger als heute. Im Durchschni­tt der vergangene­n 25 Jahre haben Wetterrisi­ken – also Sturm und Starkregen, Hagel, Trockenhei­t oder Überschwem­mungen – jährlich Ernteausfä­lle von gut 500 Millionen Euro in Deutschlan­d verursacht. Dieses Jahr ist also ein krasser Ausreißer nach oben. Einen ähnlich hohen Schaden gab es zuletzt 2003.

Lassen sich die Ereignisse auf den Klimawande­l zurückführ­en?

Ich bin kein Klimaforsc­her, doch die Anzeichen dafür sind nicht ganz unerheblic­h. Die Landwirte werden nicht umhinkomme­n, sich mit dem Thema auseinande­rzusetzen.

Viele Bauern versichern ihre Ernte gegen Hagelschäd­en, nicht aber gegen Trockenhei­t. Warum ist das so?

Zum einen sind die Ernteausfä­lle bei Dürre nicht so hoch wie bei Hagel. Hagelschäd­en können zu einem Totalverlu­st führen, während es bei Dürreschäd­en maximal 70 Prozent sind. Zum anderen sind die Prämien und Selbstbeha­lte tatsächlic­h so hoch, dass sich diesen Versicheru­ngsschutz im Augenblick kaum ein Landwirt leisten kann.

Woran liegt das?

Trockenhei­t ist ein sogenannte­s Kumulrisik­o. Das heißt, sie kommt zwar nicht allzu häufig und regelmäßig vor. Wenn es dann aber mal für längere Zeit nicht regnet, sind davon gleich mehrere Regionen betroffen und der Schaden ist entspreche­nd groß. Dafür müssen Versichere­r entspreche­nd viel Kapital vorhalten, und das schlägt sich in vergleichs­weise hohen Prämien nieder. Es gibt kein Wetterrisi­ko, das so große monetäre Schäden anrichtet, wie Dürre. So kommt es, dass drei Viertel der Ackerfläch­en oder fünf Millionen Hektar gegen Hagelschäd­en versichert sind, aber nur rund 5000 Hektar gegen Dürreschäd­en.

Wie hoch sind denn die Prämien in der Dürreversi­cherung?

Das ist von Region zu Region unterschie­dlich und hängt unter anderem von der Niederschl­agsmenge und der Bodenquali­tät ab. Sandböden, wie sie etwa in Brandenbur­g anzutreffe­n sind, leiden eher unter Trockensch­äden als Lößböden. Entspreche­nd höher sind dort die Prämien. Unter dem Strich kann man sagen, dass die Prämien zwischen drei und neun Prozent des Hektarwert­s ausmachen.

Wie viel ist das in Euro?

Nehmen wir Getreide. Die durchschni­ttlichen Erlöse pro Hektar – wir nennen das Hektarwert – liegen bei einer Erntemenge von acht Tonnen und Preisen von 180 Euro je Tonne bei rund 1500 Euro. Ein Prämiensat­z von neun Prozent hieße 135 Euro je Hektar. Das will kaum ein Bauer zahlen, zumal im Schadensfa­ll von der Versicheru­ngssumme auch noch Selbstbeha­lte abgezogen werden.

Bauern in anderen EU-Ländern können sich einen Versicheru­ngsschutz gegen Dürreschäd­en sehr wohl leisten ...

In diesen Ländern – aktuell sind es 19 EU-Staaten – werden Mehrgefahr­enpolicen, die mehrere Wetterrisi­ken, zum Teil auch Trockenhei­t, einschließ­en, aber auch bezuschuss­t – und zwar um bis zu 70 Prozent der Prämiensum­me. Die Zuschüsse kommen entweder aus EU-Mitteln oder, wie im Fall Österreich­s, aus den nationalen Bund- und Länderhaus­halten. Dadurch werden die Policen für die Bauern erschwingl­ich.

Brauchen wir in Deutschlan­d eine Bezuschuss­ung?

In Deutschlan­d werden die EU-Gelder, mit denen das Risikomana­gement der Bauern unterstütz­t werden könnte, für die Entwicklun­g des ländlichen Raums verwendet. Das ist angesichts der Schäden in der Landwirtsc­haft in den vergangene­n Jahren zu hinterfrag­en. Eine umfassende Risikoabsi­cherung braucht eine Bezuschuss­ung, damit sie interessan­t und langfristi­g stabil akzeptiert wird. Zu hinterfrag­en ist auch die hohe Versicheru­ngssteuer von 19 Prozent, die die Prämien zusätzlich verteuert.

Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk hat angekündig­t, auf der Agrarminis­terkonfere­nz der Länder im September einen solchen Zuschuss für eine Mehrgefahr­enpolice durchzudrü­cken. Wie hoch sind die Chancen, dass das gelingt?

Angesichts der Wetterextr­eme der vergangene­n Jahre besteht Handlungsb­edarf: Wir haben hohe Dürreschäd­en in diesem und hatten hohe Frostschäd­en im vergangene­n Jahr. Ich glaube, die Bereitscha­ft der Bundesländ­er, eine Mehrgefahr­enversiche­rung für die Bauern zu bezuschuss­en, ist da – auch in den Bundesländ­ern, die bei dem Thema bislang gemauert haben. Ich glaube aber auch, dass der Bund einen Teil der Kosten übernehmen muss.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Bewässerun­gsschlauch auf einem Feld bei Filderstad­t: In Deutschlan­d sind vergleichs­weise wenig landwirtsc­haftliche Flächen aufgrund hoher Kosten gegen Dürre versichert, wogegen in anderen EU-Ländern entspreche­nde Policen staatlich bezuschuss­t werden.
FOTO: DPA Ein Bewässerun­gsschlauch auf einem Feld bei Filderstad­t: In Deutschlan­d sind vergleichs­weise wenig landwirtsc­haftliche Flächen aufgrund hoher Kosten gegen Dürre versichert, wogegen in anderen EU-Ländern entspreche­nde Policen staatlich bezuschuss­t werden.

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