Weinlese Anfang September: „Hat es noch nie gegeben“
Wärme hat zu schnellem Wachstum der Reben geführt - Die Qualität des Weines ist momentan ideal
NONNENHORN - Dass dieser Sommer außergewöhnlich warm ist, spüren auch die Winzer am Bodensee. Während andere stöhnen, können sie aber gelassen bleiben. Denn für den wärmeliebenden Wein sind es momentan optimale Bedingungen. Mit der Weinlese beginnen die Winzer voraussichtlich schon Anfang September. Laut Josef Gierer, Sprecher der Winzer am bayerischen Bodensee, hat es das noch nie gegeben.
Das warme Wetter im Mai und Juni hat auf den Hängen zu einem explosionsartigen Wachstum geführt. „Das sind Idealzustände“, sagt Josef Gierer. Die Reben seien gesund, es gebe einen ordentlichen Behang, aber keinen Überhang. Und die Dichte habe ganz unmittelbar mit der Qualität zu tun. „Wenn zu viel hängt, leidet die Qualität.“Zum momentanen Zeitpunkt könnten sich die Winzer am See also nichts Besseres und Schöneres wünschen.
Für die letztendliche geschmackliche Qualität des Jahrgangs seien aber die kommenden vier bis sechs Wochen entscheidend. Eine solide Beurteilung des diesjährigen Jahrgangs lasse sich erst abgeben, wenn der Wein in die Weinpresse geht, sagt Gierer.
Für den perfekten Jahrgang wäre jetzt Regen gut und zwar Regen, der bis zur Wurzel der Pflanzen hinabreicht. Momentan mache Hitze und Trockenheit dem Wein noch nicht viel aus, da Rebstöcke Tiefwurzler seien, und in der Erde noch lange an Wasser kommen. „Aber die Vorräte sind langsam aufgebraucht“, gibt Gierer zu bedenken. Der Regen der letzten Tage habe bloß oberflächlich etwas gebracht. „Wir haben den Boden mit einem Spaten aufgegraben. Die Feuchtigkeit reicht nicht einmal zehn Zentimeter tief“, sagt Gierer. Bleibt das Wetter trocken, müssten die Winzer über Bewässerung nachdenken.
In drei bis vier Wochen erreichen die Reben die Hochreifephase. Das sei auch noch mal kritisch, sagt Gierer, denn dann sind die Reben besonders empfindlich. Warme Temperaturen und eine hohe Feuchtigkeit können einen Pilz hervorrufen. Auch die Kirschessigfliege gehe erst in der Hochreifephase ans Werk. Es sei also noch alles offen, was die letztliche Qualität angeht.
Lese drei Wochen früher
Ganz klar hingegen sei, dass die Winzer am See extrem früh mit der Lese beginnen werden, „im Schnitt zwei bis drei Wochen früher“, sagt Gierer. Anfang September sei es so weit. „Das ist außergewöhnlich.“Gierer kann sich nicht erinnern, dass es das am Bodensee schon mal gegeben hat – auch nicht im Rekordsommer 2003.
Die Winzer am Bodensee würden generell eine Klimaerwärmung spüren, „auch wenn ein amerikanischer Präsident das leugnen will“. Gierer könne sich noch an die Weinlese in seiner Kindheit und Jugend erinnern. „Da hat man im September nicht mal an die Weinlese gedacht“, sagt er. Die Austriebe im Frühjahr seien heute viel früher, die Temperaturen höher und die Sonneneinstrahlung intensiver. So hat der Wein auch mit Sonnenbrand zu kämpfen. Dabei welken und vertrocknen die Trauben, die direkt der Sonne zugewandt sind. Da sie aber verarbeitet werden, sei das nicht so schlimm, sagt Gierer. Sonnenbrand beim Wein sei im Vergleich zum Obst nicht existenzbedrohend.
Die Veränderung des Klimas bewirke natürlich, dass sich die Winzer Gedanken über den Anbau ihrer Rebsorten machen. Die klassische Rebsorte Müller-Thurgau werde die Hauptsorte bleiben, aber der allgemeine Trend gehe in Richtung der spät reifenden Sorten Burgunder und sogar Riesling. Gierer: „Das wäre vor 20 Jahren noch Selbstmord gewesen.“
Den Jahrgang 2017 schenken die Winzer beim Winzerfest in Nonnenhorn aus. „Das ist ein ganz typischer Bodensee-Jahrgang“, sagt Josef Gierer, Sprecher der Winzer am bayerischen Bodensee. Trotz des späten Frostes im vergangenen Jahr sei man mit einem leichten, filigranen Wein davongekommen. Das Winzerfest findet am Freitag, 17. August, ab 17 Uhr und am Samstag, 18. August, ab 11 Uhr an der Schiffsanlegestelle statt. Insgesamt haben die Besucher die Auswahl zwischen 50 Weinen der Region.