Hausgemachte Wirtschaftskrise
Der extreme Absturz der türkischen Lira ist der Spiegel, den die Wirtschaft Recep Tayyip Erdogan vorhält. Die Kapitalmärkte – also die Summe aller Investitionsentscheidungen von Anlegern, Unternehmern und Fonds auf der ganzen Welt – ziehen ihr Geld aus der Türkei ab: Sie verkaufen Bonds und Anleihen, legen ihr Geld lieber in Euro oder Dollar an und werden höhere Zinsen verlangen, wenn Unternehmen aus der Türkei oder gar der türkische Staat selbst in Zukunft Kredite aufnehmen wollen.
Diese Reaktion ist weder von USPräsident Donald Trump, noch von der EU oder gar von Kanzlerin Angela Merkel gesteuert. Sie gründet sich auf die Tatsache, dass weltweit Investoren ihr Vertrauen in die Politik Erdogans verloren haben. Der Streit mit der EU und den USA, der Druck auf die türkische Notenbank haben die Anleger verunsichert. Die staatlichen Kreditgarantien und die expansive Geldpolitik, mit denen der türkische Präsident 2017 gegenzusteuern versuchte, wirken nicht mehr. Die Inflation steigt, der Wert der Lira sinkt.
Erdogan hat sich in eine Zwangslage hineinmanövriert, aus der es so gut wie kein Entrinnen gibt. Um die Kapitalflucht und den Währungsverfall zu stoppen, müsste die Notenbank die Zinsen erhöhen, was die türkische Wirtschaft in die Rezession treiben könnte. Doch auch wenn die Lira im Vergleich zu Dollar und Euro weiter auf so einem niedrigen Kurs verharrt, drohen Gefahren, weil viele türkische Unternehmen in ausländischen Währungen verschuldet sind.
Das Risiko für die deutsche Wirtschaft ist gering. Zwar spüren vor allem die Maschinenbauer bereits die Not ihrer türkischen Kunden, die zuletzt deutlich weniger bestellten als zuvor, trotzdem gingen 2017 nur 1,68 Prozent aller deutschen Exporte in die Türkei. Auch die deutschen Banken haben türkischen Unternehmen weniger Geld geliehen als Geldhäuser aus Italien, Frankreich und vor allem aus Spanien. Trotzdem liegt es im deutschen und europäischen Interesse, einen Absturz der Türkei zu verhindern. Das Land ist trotz aller Konflikte ein wichtiger Faktor für die Stabilität im Nahen Osten.