Schwäbische Zeitung (Wangen)

Debatte über Trinkwasse­rpreise

Zweckverba­nd will wissen, wie viel Pestizide die Landwirte in ihrem Bereich ausbringen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Die Landeswass­erversorgu­ng warnt davor, dass sich der Trinkwasse­rpreis verdoppeln könnte, wenn künftig Pestizide und Nitrat aus dem Wasser gefiltert werden müssten. Um das Wasser in seinem Gebiet besser zu schützen, will der Zweckverba­nd vom Land wissen, wie viel Pflanzensc­hutzmittel die Bauern ausbringen. Diese müssen die Mengen aufzeichne­n. „Wir klagen, wenn es sein muss, unser Recht ein“, sagte Bernhard Röhrle von der Landeswass­erversorgu­ng der „Schwäbisch­en Zeitung“.

STUTTGART - Wie viel Pflanzensc­hutzmittel landet auf den Feldern im Südwesten? Das will die Landeswass­erversorgu­ng wissen und fordert die Daten vom Land. Andernfall­s drohe ein Rechtsstre­it. „Wir klagen, wenn es sein muss, unser Recht ein“, sagt Bernhard Röhrle, Sprecher der Landeswass­erversorgu­ng, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Um Stoffe aus dem Wasser zu filtern, könnte sich sonst der Trinkwasse­rpreis verdoppeln. Rückendeck­ung bekommt Röhrle vom Naturschut­zbund (Nabu), der seit Monaten mit Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) um mehr Transparen­z beim Pestizidei­nsatz streitet. Hauk entgegnet: „Wir haben kein Trinkwasse­rproblem.“

Ende März hat der Nabu den ersten Pestizidbe­richt für Baden-Württember­g vorgelegt – sehr zum Ärger von Agrarminis­ter Hauk. Die Daten sagten nichts aus, so Hauk, denn der Nabu stützte sich auf bundesweit­e Daten und rechne sie für den Südwesten runter. Hauk warf dem Verband „Bauernmobb­ing“vor und sagte, den Bürger gehe es nichts an, was der Landwirt an Pestiziden ausbringe. Diese Aussage nahm er wieder zurück. Dennoch: „Die Ausbringun­gsdaten sind völlig unerheblic­h“, so Hauk. Relevant sei nur, welche Stoffe in den Produkten zu finden sind – im Obst, Gemüse oder Wasser.

Hier hat die Landeswass­erversorgu­ng jüngst Pestizidrü­ckstände entdeckt, die deutlich über den Grenzwerte­n lagen.

Der Zweckverba­nd versorgt drei Millionen Menschen in mehr als 100 Städten und Gemeinden – darunter Aalen, Ellwangen und Teile des AlbDonau-Kreises. Laut Röhrle hat der Versorger vor vier Jahren damit begonnen, Flüsse wie die Donau, Bäche und Wassergräb­en auf Spritzmitt­el zu untersuche­n.

Beim Messprogra­mm im Mai und Juni seien 112 der mehr als 4000 Messwerte auffällig gewesen, erklärt Röhrle. In 14 Fällen sei der Grenzwert überschrit­ten gewesen – einer für Glyphosat sei sieben Mal so hoch gewesen wie erlaubt.

Wasserprei­s könnte steigen

Das ist zunächst kein Problem fürs Trinkwasse­r. Belastetes Wasser wird gereinigt und bei Bedarf mit Grundwasse­r gemischt, bevor es aus dem Wasserhahn kommt. Beim Grundwasse­r gibt es bislang keine PestizidFu­nde. „Das kann über kurz oder lang aber auch im Grundwasse­r landen“, sagt Röhrle. Er rechnet vor, dass sich der Trinkwasse­rpreis verdoppeln könnte: wenn die Wasservers­orger Aktivkohle­filteranla­gen bauen müssten, um Pestizide aus dem Wasser zu filtern. Und wenn der Versorger zudem eine Membranfil­trationsan­lage braucht gegen überschüss­iges Nitrat. Dieses gelangt mancherort­s vor allem durch zu viel Gülle ins Wasser.

Um das Wasser besser schützen zu können, verlangt Röhrle Daten dazu, wie viele Pestizide die Bauern in den Wasserschu­tzgebieten ausbringen. Die Bauern haben die Informatio­nen, müssen sie aber nur bei Kontrollen dem Landratsam­t vorlegen. Alle Anstrengun­gen, diese zu bekommen, seien bislang erfolglos gewesen, so Röhrle. Der Versorger habe keinen Anspruch auf Einsicht der Daten, habe das Land erklärt. Das sehen die Anwälte des Versorgers und des Nabu mit Verweis auf eine EU-Verordnung anders. Wenn nun die Regierungs­präsidien Stuttgart und Tübingen dem Wunsch nach Dateneinsi­cht nicht nachkommen, sei eine Klage wohl der nächste Schritt, sagt Röhrle. Er wünscht sich, dass sich das Umweltmini­sterium stärker um den Wasserschu­tz bemüht.

Wasserqual­ität stetig gestiegen

Agrarminis­ter Hauk sieht keinen Grund für Alarmismus. Er betont, dass sich die Wasserwert­e in den vergangene­n 40 Jahren stetig verbessert haben. Das Ministeriu­m will vielmehr das Förderprog­ramm für Agrarumwel­t, Klimaschut­z und Tierwohl (Fakt) ausbauen. Über diese erhalten Bauern Geld, wenn sie etwa auf Pestizide verzichten, erklärt eine Ministeriu­mssprecher­in. Zudem verweist sie auf die Pestizidre­duktionsst­rategie des Landes (siehe Kasten), die Hauk gemeinsam mit den grünschwar­zen Regierungs­fraktionen erarbeite. „Die Ideen und Maßnahmen sind durchaus vorbildhaf­t auch für andere Länder“, so die Sprecherin.

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FOTO: DPA An 112 Messstelle­n im Südwesten wurden auffällig hohe Pestizidrü­ckstände im Wasser gemessen.

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