Schwäbische Zeitung (Wangen)

Auf Talfahrt

Türkische Wirtschaft könnte vor einer Rezession stehen – Bundesregi­erung in Sorge

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BERLIN (sal/ben) - Der Absturz der türkischen Lira löst auch in Berlin Sorgen aus. „Die Bundesregi­erung hat selbstvers­tändlich Interesse an der wirtschaft­lichen Stabilität der Türkei“, sagt Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Man beobachte die Entwicklun­g aufmerksam. Auch im Finanzmini­sterium heißt es, die Stabilität werde fortlaufen­d beobachtet, besonders von der Bundesbank. Die Auswirkung­en der schwachen Lira auf die deutsche Wirtschaft könne man noch nicht bewerten.

Der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Alexander Graf Lambsdorff forderte, Erdogan müsse die Lage entschärfe­n. „Statt dem Nato-Partner USA zu drohen und die politische Krise damit weiter zu verschärfe­n, sollte der türkische Präsident schnellstm­öglich die Freilassun­g des US-Pastors Brunson ermögliche­n“, sagte Lambsdorff. Für ihn steht fest, dass Erdogan die Verantwort­ung für die aktuelle Zuspitzung trägt. Die USA hätten sich auf diplomatis­chem Weg hinter den Kulissen für die Freilassun­g Brunsons eingesetzt. Darauf sei Erdogan nicht eingegange­n.

Aus deutscher Sicht ist die Türkei ein kleiner Handelspar­tner. 2017 exportiert­en deutsche Unternehme­n Waren im Wert von 21,5 Milliarden Euro in das Land am Bosporus – das entspricht 1,68 Prozent aller deutschen Ausfuhren. Hauptexpor­tgüter waren Maschinen, Autoteile und Autos. Vor allem die Maschinenb­auer spüren die Krise bereits: Die Exporte gingen nach Informatio­nen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) zwischen Januar und Mai um 4,7 Prozent zurück. Mit der schwachen Lira „verteuern sich für die türkischen Kunden die Einfuhren erheblich“, sagt VDMAChefvo­lkswirt Ralph Wiechers. „Der schwache Lira-Kurs ist aber auch für all die Unternehme­n eine große Last, die ihre Kredite in Fremdwähru­ng aufgenomme­n haben.” Und das sind nicht wenige Unternehme­n: Nach Angaben von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, sind 40 Prozent der türkischen Wirtschaft­sleistung über Privatbank­en in ausländisc­her Währung finanziert.

Ausländisc­he Banken haben nach Berechnung­en der Bank für Internatio­nalen Zahlungsve­rkehr 200 Milliarden Euro an Partner in der Türkei verliehen. Vor allem die spanische Großbank BBVA, die italienisc­he Unicredit und die französisc­he BNP Paribas sind betroffen. Die Forderunge­n deutscher Geldhäuser summieren sich nach Angaben der Bundesbank auf 21 Milliarden Euro.

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