Wo die Weltmeister trainieren
Das Kletterzentrum in Innsbruck ist eine Halle der Superlative
E Eigentlich ist alles so, wie Kletterer es aus üblichen Hallen gewohnt sind: Menschen ziehen sich an farbigen Griffen hoch und die Sicherungsseile peitschen an die steilen Wände. Der Unterschied zwischen dem Kletterzentrum Innsbruck und gewöhnlichen Hallen ist allerdings, dass es von allem sehr, sehr, sehr viel mehr gibt.
Die nackten Zahlen: 6000 Quadratmeter Wandfläche, an denen etwa 50 000 Klettergriffe angebracht sind, die wiederum gut 600 Routen ergeben, die sich maximal 17 Meter in die Höhe ziehen oder 30 Meter, wenn der Überhang mitgerechnet wird. Im Juli 2017 eröffnete das Kletterzentrum und zählt seither, ein Jahr später, über 170 000 Eintritte. Das sind etwa 450 Eintritte am Tag. Zum Vergleich: In Innsbruck, der Landeshauptstadt Tirols, leben 130 000 Menschen.
Das Kletterzentrum war die Idee von Reini Scherer, dem Geschäftsführer. Zehn Jahre lang warb er für einen Neubau, zwei Jahre lang widmete er sich Planung und Bau. „Für mich gibt es in Europa nichts Vergleichbares“, sagt Scherer bei einer Hallenführung. Nirgends sonst können ihm zufolge Kletterer auf einem so hohen Niveau trainieren, und zwar alle Disziplinen – indoor und outdoor. So stehen neben den Vorstiegsrouten auch zwei Speedclimbingstrecken zur Verfügung und ein 1500 Quadratmeter großer Boulderbereich, bei dem jede Woche 30 neue Boulderprobleme geschraubt werden, damit es den Stammkunden ja nicht langweilig wird.
Wen wundert’s, dass hier die österreichische Nationalmannschaft trainiert. Hier können sich die Athleten in allen drei Disziplinen üben, in denen sich Kletterer bei den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio werden messen müssen. Und dass schon einige Nationalmannschaften und Spitzenkletterer anderer Länder zum Training vorbeigekommen sind, überrascht Hallenchef Scherer auch nicht: „Wir sind derzeit die Messlatte“, sagt der Hallenbetreiber, „aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis auch in anderen Städten ähnliche Hallen entstehen“.
Österreichische Sportler klettern mit auf den vorderen Plätzen der Weltrangliste. Damit das mindestens so bleibt oder hoffentlich noch besser wird, investierten die Stadt Innsbruck, das Land Tirol und der Bund eine Menge Geld: 12 Millionen Euro hat die Kletterhalle der Superlative gekostet. Eine solche Investition müssen konkurrierende Nationen erst einmal aufbringen – Frankreich möglicherweise, die Slowakei oder Japan, wo Klettern als Breitensport eine große Bedeutung hat. Bis dahin bleibt das Kletterzentrum Innsbruck vorerst das Maß der Dinge.
Umgeben von mächtigen Bergen mit schier unerschöpflichen Felsrouten hat sich Innsbruck zu einem Zentrum des Sportkletterns entwickelt. Den Bergtourismus könnte man hier auch als Industrie bezeichnen – eine, die brummt. Ob Seilklettern am Felsen und Klettersteige wie der Klassiker über den Grat der Nordkette, oder alle anderen alpinen Sportarten wie Mountainbiken, Gleitschirmfliegen oder das gute alte Wandern: Viele Innsbrucker verdienen ihren Lebensunterhalt damit, den Menschen Bergsport zu ermöglichen. Wie wichtig das Klettern in Innsbruck geworden ist, zeigt auch, dass der USamerikanische Ausrüster „Black Diamond“kürzliche erst seine Europazentrale von Basel nach Innsbruck verlegt hat.
Für jedes Niveau
Damit die Bergsportler auch bei schlechtem Wetter auf ihre Kosten kommen und weil sich die alte Halle eigentlich nur an Kletterprofis richtete, war die Idee einer neuen Halle, die sich für jedes Niveau anbietet, nur folgerichtig: „In der alten Halle beim Tivoli-Stadion gab es fast nur schwierige Routen“, erklärt Scherer, „aber hier sind 70 Prozent der Routen im Schwierigkeitsgrad bis 6b.“In Innsbruck werden die Schwierigkeiten der Routen in der französischen Schwierigkeitsskala deklariert (UIAA-Skala: 7). Mehr als die Hälfte aller Routen wendet sich hier also an den Durchschnittskletterer, der einmal in der Woche in der Halle trainiert. Die übrigen 30 Prozent sind für Profis gedacht. Und genau das macht den Reiz der Kletterzentrums aus: Hier klettern Amateure und Weltmeister sozusagen an derselben Wand.
Vom 6. bis zum 16. September wird in Innsbruck übrigens die alle zwei Jahre stattfindende Kletterweltmeisterschaft ausgetragen. Über 700 Athleten aus 65 Nationen werden dann wieder den besten Kletterer der Welt ermitteln. Das Kletterzentrum ist dabei eine von zwei Spielstätten – ein Vorgeschmack auf Olympia in Tokio.
Die Recherche wurde unterstützt von der Tirol Werbung. Erleben Sie die Kletterregion Innsbruck, wo im September die Kletterweltmeisterschaft stattfinden wird, in einer multimedialen Reportage im Internet unter: www.schwaebische.de/innsbruck2018