Jesidin fühlt sich im Irak sicher
Kassen zahlen kleinen Kliniken womöglich bald kein Geld für Notfallpatienten mehr
RAVENSBURG (saf) - Die in den Irak geflüchtete Jesidin Aschwak Talo befindet sich in einem Flüchtlingscamp im Nordirak. Dort fühlt sie sich sicher vor ihrem mutmaßlichen ISPeiniger. Das bestätigt der kurdische Journalist Barham Ali im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Talo war nach eigenen Angaben in Schwäbisch Gmünd dem Mann begegnet, der sie über Monate in Syrien als Sklavin gefangen gehalten haben soll.
STUTTGART - In jeder dritten deutschen Klinik ist die Notaufnahme gefährdet. Werden aktuelle Pläne aus Berlin eins zu eins umgesetzt, stehen auch in Baden-Württemberg viele Krankenhäuser vor einem Problem: Ihre Notaufnahmen würden nicht mehr von den Krankenkassen finanziert. Kleine Kliniken müssten sogar Zuschläge zahlen, weil sie Mindestanforderungen nicht erfüllen. Das könnte auch Häuser in der Region treffen.
Das neue Konzept für die Versorgung von Notfällen kommt vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Darin sitzen Vertreter von Ärzten, Kliniken, Versicherungen und Patienten. Das Gremium beschließt, welche Leistungen die Krankenkassen zahlen – und welche nicht. Im Auftrag der Bundesregierung erarbeitet der GBA nun die neuen Pläne. Der Grund: Bislang reicht das Geld von den Krankenkassen oft nicht aus, um die Kosten für die Versorgung von Notfallpatienten zu tragen. Gleichzeitig soll es Qualitätskriterien für die Notaufnahmen geben. Befürworter argumentieren: Gute Behandlungen setzen gewisse Bedingungen voraus – und auch gewisse Fallzahlen. Nur, wer oft Notfallpatienten hat, verfügt über ausreichende Praxis mit ihnen. Darum sei nicht jedes kleine Krankenhaus die beste Adresse für Notfälle.
Die Pläne des GBA sehen Folgendes vor: Künftig gibt es demnach drei Stufen der Notfallversorgung. Krankenhäuser in der niedrigsten Stufe leisten eine Basisversorgung, in Stufe drei eine umfassende. Die Anforderungen betreffen mehrere Bereiche, unter anderem die Zahl der Intensivbetten, die Zahl und Art der medizinischen Fachabteilungen sowie die technische Ausstattung. Nur ein Krankenhaus, das die Anforderungen erfüllt, bekommt von den Krankenkassen Zuschläge für Notfallbehandlungen.
100 Häuser im Land betroffen
Der GBA hat bereits ausgerechnet, was das bedeutet. Demnach erfüllen deutschlandweit mehr als 620 von derzeit gut 1900 allgemeinen Krankenhäusern nicht einmal die Anforderungen der ersten Stufe. Allerdings entfallen auf diese laut GBA nur fünf Prozent der Notfallpatienten; nicht alle nehmen an der Notfallversorgung teil. „Rechnet man das auf Baden-Württemberg herunter, erfüllen etwa die Hälfte der rund 200 Akutkrankenhäuser die Vorgaben für die Basisversorgung nicht“, sagt Alexis von Komorowski, Chef des Landkreistages.
Das bedeutet nicht nur, dass sie keine Zuschläge mehr für Notfallpatienten bekommen. „Diese Häuser müssten nach jetzigem Stand auch noch Abschläge zahlen, weil sie nicht mehr an der Notfallversorgung teilnehmen“, warnt von Komorowski. Vor allem kleine Häuser in ländlichen Regionen wären betroffen. Notfallpatienten würden dort zwar nicht abgewiesen. Das verbiete die gesetzliche Hilfspflicht. Doch voll ausgestattete Notaufnahmen müssten die Krankenhausträger selbst zahlen – oder schließen. Die Träger sind entweder in der Regel Landkreise oder private Unternehmen wie Sana. Auch Rettungswagen könnten ihre Patienten nicht mehr in solche Häuser bringen, sondern müssten Standorte in der Umgebung anfahren.
Allerdings gibt es eine Hintertür. Die Bundesländer können einzelne Kliniken zu Notfallkrankenhäusern erklären, wenn andernfalls in einer Region die flächendeckende Versorgung gefährdet scheint. Diese würden dann keine Abschläge zahlen.
Spielraum für Interpretationen
Noch weiß niemand genau, welche Krankenhäuser in welche Stufe eingruppiert werden. Die Vorgaben des GBA sind detailliert und bieten Spielraum für Interpretationen. Dem Vernehmen nach soll es im September im Stuttgarter Gesundheitsministerium ein Gespräch dazu geben. Bis dahin wollen Landkreise, Kliniken und Kassen eruieren, wer nach ihrer Ansicht in welche Stufe fällt. Derzeit laufen auch in Berlin Gespräche. Die Krankenhäuser versuchen, zumindest die Abschlagszahlungen für jene Kliniken abzuwenden, die nicht einmal die erste Stufe der Notfallversorgung bieten können.
Betrachtet man die Kriterien des GBA, könnten in der Region einige Häuser Probleme bekommen. Dazu zählen die Standorte Bad Waldsee, Spaichingen, Riedlingen, Laupheim, Bad Saulgau, Pfullendorf und Langenau. Sie haben vor allem zu wenige Intensivbetten oder gar keine Intensivstation. Auskunft über die Ausstattung der Krankenhäuser in Weingarten und Tettnang konnte das Klinikum Friedrichshafen auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“über Wochen nicht geben.
Die übrigen Verantwortlichen in der Region verweisen auf die laufenden Verhandlungen. Der Tenor: Es besteht kein Anlass zur Panik, doch noch ist die finanzielle Zukunft kleiner Notaufnahmen offen. An einigen Häusern wie etwa in Bad Waldsee wäre es mit einigen Anschaffungen und Veränderungen möglich, die Anforderungen für die Basisversorgung zu erreichen.
Doch dazu müsse geklärt werden, wer das zahlt, sagt Bernd Einwag, Chef der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft: „Das Konzept des GBA ist nachvollziehbar. Es stellt Kriterien für die apparativen und personellen Ausstattungen der Notaufnahmen auf. Wenn die neuen Anforderungen in den Notaufnahmen Investitionen erfordern, müssen diese dann aber auch gegenfinanziert werden und dürfen nicht an den Krankenhäusern hängen bleiben.“