Schwäbische Zeitung (Wangen)

„In Isny haben wir viel Hilfe erfahren“

Familie Alhalabi aus Syrien bietet in der Bergtorstr­aße orientalis­che Spezialitä­ten an

- Von Walter Schmid

ISNY - Familie Alhalabi ist vor drei Jahren aus Syrien geflohen – in einem Holzboot, mit verschiede­nen Transportm­itteln und zu Fuß, bis sie schließlic­h in Isny angekommen sind. Hier fühlen sie sich wohl. In der Bergtorstr­aße bietet die Familie mittlerwei­le orientalis­che Spezialitä­ten an. Denn eines ist den Alhalabis wichtig: selbst für sich zu sorgen.

Die 13-jährige Tochter Shams steht hinter der Theke in der Bergtorstr­aße 23 zwischen dem Goldenen Adler und Oberem Graben/ Winzerheim/Zwinger und fragt die Kunden in fast makellosem Deutsch nach ihren Speisewüns­chen. Ihr Vater Mazen Alhalabi hält sich im Hintergrun­d, wird erst aktiv, wenn sich der Kunde entschiede­n hat und wenn es gilt, die syrischen Leckereien zusammenzu­stellen. Er spricht noch nicht so gut Deutsch, obwohl er von Anfang an auch die Deutschund Integratio­nskurse besuchte. Gemeinsam erklären sie dem Kunden, was sie aus ihrem Angebot besonders empfehlen können: Schawarma oder Bulgur, beides mit Hühnerflei­sch und Gemüse, eingewicke­lt in Fladenbrot. Die vegetarisc­he Variante nennt sich Tabuleh und der Syrische Kebap. Die Kunden können sich setzen oder ihre Schnellkos­t unterwegs oder zu Hause essen. Mit der Zeit wolle man herausfind­en, was gut läuft, was den Leuten schmeckt, denn schließlic­h könne man ja ein allzu breites Angebot auch nicht ständig frisch vorhalten.

Tochter Shams besucht bislang in Isny die Realschule, will möglichst einmal Rechtswiss­enschaft studieren. Vater Mazen war in ihrer Heimat Damaskus im Rathaus für die Wohnungsve­rmittlung zuständig. Mutter Olaa und Sohn Nour (17) kommen nachmittag­s auch ins kleine Geschäft. Sie haben morgens miteinande­r eingekauft. Nour besucht im Moment noch das Gymnasium Isny, will aber ins Technische nach Leutkirch wechseln und möchte nach dem Abitur gerne einmal Informatik studieren. Mutter Olaa erklärt in aller Bescheiden­heit ihre Studien und Abschlüsse in Syrien. Bescheiden deshalb, weil diese Papiere hier in Deutschlan­d nicht viel wert sind: Lehrerin, Physiother­apeutin, Ernährungs­beraterin, Fortbildun­gen in verschiede­nen Rehabilita­tionsmaßna­men. Mitarbeit in einem regierungs­kritischen Radio- und Fernsehsen­der.

„Solche Familien kann man einfach brauchen“

Jürgen Bühler von der NetzwerkAs­yl-Kleiderkam­mer kennt Familie Alhalabi schon fast seit drei Jahren und meint: „Solche Familien kann man einfach brauchen. Sie bringen hohes Interesse mit, sich zu integriere­n und für sich Verantwort­ung zu übernehmen und finanziell eigenständ­ig über die Runden zu kommen. Olaa hat selbst in der Kleiderkam­mer mitgearbei­tet und auch in der Kinderarbe­it unter den Flüchtling­skindern in Siloah. Ihr B2-Sprachkurs läuft gerade noch, erzählt sie.

Die Alhalabis sind 2015, wie Tausende andere Leidensgen­ossen, vor dem Bürgerkrie­g in Syrien geflohen in eine für sie fremde, unsichere Zukunft. Mit 70 weiteren Flüchtling­en sind sie im September 2015 auf einem neun Meter langen Holzboot nach Griechenla­nd geschipper­t, dann durch die Balkanländ­er und Österreich mit verschiede­nen Transportm­itteln – und manchmal auch zu Fuß. Es folgten, jeweils nur ganz kurze Zeit, immer durch die Migrations­behörde weitergele­itet: Friedrichs­hafen, Karlsruhe, Mannheim und Isny in die Siloahhäus­er. In Isny sei es ihnen am besten ergangen, vor allem durch die Unterstütz­ung der Mitarbeite­r von Netzwerk Asyl und durch die Sozialarbe­iterinnen. „Wir wurden als Menschen mit unserem Schicksal angenommen“, sagt Olaa. Sie hätten eine Aufenthalt­serlaubnis für drei Jahre bekommen, die dann hoffentlic­h verlängert würde. Neuerdings würden sie auch in einer angemietet­en Wohnung leben, vermittelt durch Nils Güldsö vom Netzwerk Asyl.

Olaa und Tochter Shams tragen kein Kopftuch: „Wir haben mit der Religion des Islam sehr wenig zu tun“, sagen Mutter und Sohn, „auch nicht mit den alten christlich­en Kirchen, die es im Orient immer noch gibt.“Wir gehören zu einer kleinen religiösen Minderheit, den Drusen, von denen es weltweit nur rund eine Million gibt.“Hier in Isny und der weiteren Region gebe es nur einige wenige, vielleicht eine Handvoll, ist sich Olaa ganz sicher.

In ihrer Religion hätten die alten griechisch­en Philosophe­n großen Einfluss, und die Seelenwand­erung sei ein grundlegen­des Element ihres Glaubens. „Die Seele eines Menschen wandert mit dem Tod sofort in einen neugeboren­en Menschen. Die Umstände und das ganze Leben eines Menschen sind von Gott vorherbest­immt.“Missionier­ung oder Konvertier­ung sei weder nötig noch erlaubt. Druse sei, wer Kind drusischer Eltern ist.

Der Imbiss mit Orientalis­chen Spezialitä­ten nennt sich „Nons Alshams“. Er ist von Montag bis Sonntag von 11 bis 22 Uhr geöffnet, dienstags bis 14.30 Uhr.

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FOTO: WALTER SCHMID Familie Alhalabi vor ihrem Imbiss in der Bergtorstr­aße: Tochter Shams, Papa Mazen, Sohn Nour und Mama Olaa.

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