Ein-Euro-Objekte in Hülle und Fülle
Kempten ermittelt sein Vermögen – Hunderte Gebäude sind so gut wie nichts wert
KEMPTEN/SONTHOFEN (jan) - Was ist das Kemptener Rathaus wert? Einen Euro, sagt die Stadt. Was ist die Nordschule, immerhin die größte im Besitz der Stadt, wert? Einen Euro. Was sind zwei Garagen für Feuerwehrautos in Lenzfried wert? 101 000 Euro. Die Verwaltung erfasst gerade nach europaweit vorgeschriebenen Kriterien ihr Vermögen und hat dabei mit den Gebäuden begonnen. Es kommt ein überraschendes Ergebnis heraus: Für alle 362 Gebäude stehen gerade einmal 65 Millionen Euro in den Büchern. Die Stadt Sonthofen nähert sich dem Thema ganz anders: Sie errechnet zuerst, was bei ihren Grundstücken zusammenkommt – in der Hoffnung, dass sie ein möglichst großes Vermögen präsentieren kann.
Zahlreiche Städte ziehen gerade Bilanz, wie reich oder arm sie sind. Die Rechnung, die sie dabei aufmachen, ist nach dem „Vorsichtsprinzip“vorgegeben, erklärt Florian Höld als stellvertretender Kämmerer in der Kemptener Verwaltung. Dadurch ergeben sich skurrile Ergebnisse. Gebäude werden nämlich im Laufe der Zeit buchhalterisch abgeschrieben, verlieren also mit den Jahren an Wert. Selbst wenn sie zwischendurch saniert und wieder tipptopp hergerichtet wurden, ändert sich am Miniwert nichts, sofern die Nutzung gleich bleibt.
Diese Art der Wertermittlung hat nichts zu tun mit der Herangehensweise von Privatleuten, die ausschließlich der sogenannte Verkehrswert interessiert – das ist die ungleich höhere Summe, für die etwas gehandelt wird. Und da ist es jedem Verkäufer natürlich wichtig, einen so hohen Betrag wie möglich ansetzen zu können.
„Es wäre eh unverkäuflich“, hat Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle bereits vor Längerem zur Wertermittlung des 1987 generalsanierten Rathauses aus dem 15. Jahrhundert gesagt. Verwaltungs- und theoretisch auch Schulgebäude könnte man durchaus verkaufen, doch trotzdem: bei 185 Komplexen steht ein Euro hinter der Adresse.
Anders ist es mit Neu- oder Erweiterungsbauten. Der Feuerwehrhof wurde um die „integrierte Leitstelle“und anderes ergänzt. 4,1 Millionen Euro hat das gekostet, 2,6 Millionen stehen jetzt noch in den Finanzbüchern. In Lenzfried wurde für die Feuerwehrgaragen eine Summe von 101 000 Euro errechnet. Wiederum kurios: Das tipptopp sanierte Hauptgebäude daneben ist wieder ein Ein-Euro-Objekt.
„Man muss darauf hinweisen, was man hat“
Die Stadt Kempten hat so gut wie keine Schulden mehr, kann also gut mit einer Arme-Leute-Rechnung leben. In Sonthofen ist das anders. Die Oberallgäuer Kreisstadt hat 30 Millionen Euro Schulden und Bürgermeister Christian Wilhelm braucht ein ordentliches Vermögen als Argumentationshilfe, warum die Stadt trotzdem investieren kann. „Man muss darauf hinweisen, was man hat“, sagt er nicht ohne Stolz. „130 bis 150 Millionen kommen bei uns schon zusammen.“. Bislang ist das eine Hochrechnung, bei der er Bereiche berücksichtigt, die Kempten schlicht außen vor lassen will: die Beteiligungen an Unternehmen. Auf insgesamt 50 Millionen Euro schätzt Wilhelm die Anteile unter anderem an der Wohnungsgesellschaft SWW und an den Allgäuer Kraftwerken. Kempten könnte beispielsweise mit dem Klinikum, mit der Sozialbau und den Allgäuer Überlandwerken mit riesigen Beträgen punkten. Die konkreten Berechnungen beginnt Sonthofen 2019 nicht mit Gebäuden, sondern mit Grundstücken. 741 Hektar Fläche gehören der Stadt, davon 95 Hektar landwirtschaftlicher Grund und 374 Hektar Wald. Allein dafür, sagt Wilhelm, dürften wohl „fünf bis zehn Millionen Euro ansetzbar sein“.
Bei den Grundstücken will Wilhelm je nach Lage mit Beträgen zwischen 240 und 400 Euro pro Quadratmeter rechnen lassen. Wie Kempten damit umgeht, wird sich zeigen, da diese Werte erst in einiger Zeit erhoben werden. Der Stadt gehören 1082 Hektar Fläche, das sind etwa 2000 Fußballfelder. Viel davon ist bebaut, 98 Hektar sind Wald, 207 Hektar verpachtete landwirtschaftliche Grundstücke. Solche wurden im Kemptener Raum zuletzt für um die sieben Euro pro Quadratmeter gehandelt. Ein Hektar sind 10 000 Quadratmeter.