Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Opfer in den Mittelpunk­t stellen

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Die Enttäuschu­ng nach dem Papst-Besuch in Irland ist groß: Die weltweite Initiative „Ending Clergy Abuse“(ECA) äußert sich kritisch über Franziskus und vermisst „ernsthafte und konkrete“Aussagen und will wissen, was der Papst gegen den Missbrauch­sund Vertuschun­gsskandal in der katholisch­en Kirche unternehme­n will. Missbrauch­sopfer berichten aus dem Gespräch mit Franziskus, er habe nichts Neues gesagt. Damit hat der Papst erneut eine Chance verstreich­en lassen, sich auf die Seite der Opfer zu stellen.

Immer noch haben in der katholisch­en Kirche Kräfte die Oberhand, die die Institutio­n angeblich vor Schaden bewahren wollen. Ein Beispiel ist der Kurienerzb­ischof Georg Gänswein: Wenn der Privatsekr­etär des emeritiert­en Papstes Benedikt XVI. betont, die Kirche gehe bei Aufklärung und Aufarbeitu­ng seit Jahren mit gutem Beispiel voran, zeugt dies von kaum zu unterbiete­nder Ignoranz.

Denn immer noch melden sich – selbst 30 Jahre nach Bekanntwer­den der ersten Fälle – weitere Missbrauch­sopfer. Menschen, die von Verbrechen an ihrem Leib und ihrer Seele berichten, und die sich nach wie vor ungehört, unverstand­en und ungerecht behandelt fühlen.

Wer die Berichte der Grand Jury aus Pennsylvan­ia liest, wer Fotos der offensicht­lich für ihr Leben gezeichnet­en Betroffene­n betrachtet oder selbst mit Opfern spricht, spürt, dass sie mehr Hilfe, eine bessere Therapie, offenere Ohren und vor allem ehrlichere­n Respekt wünschen. Wenn jetzt aus dem anglo-amerikanis­chen Raum die Idee einer Wahrheitsu­nd Versöhnung­sbewegung kommt, dann muss die Wahrheit an erster Stelle stehen: erst schonungsl­ose Aufklärung, dann Versöhnung.

Franziskus hätte mit einer neuen Opfer-Initiative immer noch die Chance zu beweisen, wo seine Kirche steht: auf der Seite der Schwachen und der Benachteil­igten. Er sollte es dringend tun. Und die deutschen Bischöfe, die in vier Wochen eine eigene Missbrauch­sstudie vorlegen, sollten sich ebenso klar bekennen. Ihren Worten müssen Taten folgen, die Wunden sind noch immer offen.

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