Schwäbische Zeitung (Wangen)

Trauer um US-Senator John McCain

Kritiker von Präsident Donald Trump starb an den Folgen eines Gehirntumo­rs

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (dpa) - Politiker in den USA und im Ausland haben mit Bestürzung und Trauer auf den Tod von John McCain reagiert, einem streitbare­n US-Republikan­er und scharfen Kritiker von Präsident Donald Trump. Kanzlerin Angela Merkel würdigte den verstorben­en Senator als „unermüdlic­hen Kämpfer für ein starkes transatlan­tisches Bündnis“. Die früheren US-Präsidente­n Barack Obama, George W. Bush, dessen Vater George H.W. Bush sowie Jimmy Carter zollten ihm ihren Respekt.

McCain starb am Samstag im Alter von 81 Jahren auf seiner Ranch in Arizona. Er litt an einem aggressive­n Gehirntumo­r. Vor Kurzem entschied er sich dazu, die Behandlung gegen den Krebs einzustell­en.

Donald Trump veröffentl­ichte nach dem Tod McCains eine knappe Nachricht auf Twitter. „Mein tiefstes Mitgefühl und Respekt gehen an die Familie von Senator John McCain“, schrieb der US-Präsident. „Unsere Herzen und Gebete sind bei Euch!“, fügte er hinzu. Würdigende Worte fand er zunächst nicht, auch das Weiße Haus schickte keine längere Erklärung heraus. Auf Twitter löste Trumps Nachricht heftige Kritik aus.

WASHINGTON - Er wurde als Kriegsheld verehrt, über Parteigren­zen hinweg für seine Expertise und seinen Idealismus geschätzt – und war bis zuletzt ein Stachel im Fleisch von US-Präsident Donald Trump. Am Samstag ist der republikan­ische Senator John McCain im Alter von 81 Jahren an einem Hirntumor gestorben.

An einem kühlen Herbsttag in Philadelph­ia hielt John McCain eine Rede, von der man heute weiß, dass es seine letzte vor großem Publikum war. In der Stadt, in der die Gründungsd­okumente der amerikanis­chen Republik zu Papier gebracht wurden, sprach er von einem erstaunlic­hen Land, in dem alles möglich sei, auch, dass der Schlechtes­te seiner Klasse an der Flottenaka­demie Präsidents­chaftsbewe­rber einer großen Partei werden könne.

Er meinte sich selber, grinste sein unverwechs­elbares Grinsen – und wurde grundsätzl­ich. Es sei unpatrioti­sch, Ideale aufzugeben, die man rund um den Globus vorangebra­cht habe, um einem „halbgaren, fadenschei­nigen Nationalis­mus zu genügen, aufgekocht von Leuten, die lieber nach Sündenböck­en suchen, statt Probleme zu lösen“, mahnte der 81 Jahre alte Mann, der zu dem Zeitpunkt längst wusste, dass er an einem unheilbare­n Hirntumor litt. Das sei so unpatrioti­sch wie die Anhänglich­keit an irgendein anderes Dogma, das dank amerikanis­cher Mithilfe auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sei. Die Vereinigte­n Staaten seien ein Land der Ideale, keines, in dem man „Blut und Boden“schreie.

Den Namen Trump hat er in Philadelph­ia nicht erwähnt, und doch wusste jeder, wen sich der Senator vorknöpfte. Einen Präsidente­n, der Neonazis auf eine moralische Stufe mit linken Gegendemon­stranten gestellt hatte. Und während die meisten Republikan­er Kritik an dem Populisten im Oval Office allenfalls hinter vorgehalte­ner Hand äußerten, redete McCain Tacheles. Da war er wieder, der Maverick.

Rinder, die kein Brandzeich­en tragen, sich keinem Besitzer zuordnen lassen und keiner Herde folgen, kennt man in der texanische­n Viehzucht als Mavericks. John Sidney McCain III war stolz darauf, wenn sie ihn so nannten. Er war ein konservati­ver Republikan­er, aber eben auch ein unabhängig­er Kopf, der ohne Umschweife sagte, was er dachte. Ohne sich um die Parteilini­e zu scheren. Viele solcher Originale gibt es nicht mehr im US-Kongress mit seinen tiefen Gräben zwischen Demokraten und Republikan­ern. Auch deshalb fühlt sich der Tod McCains an wie das Ende einer Ära.

Besiegt von Bush und Obama

1982 wurde er zum Abgeordnet­en gewählt, 1986 zum Senator. Im Jahr 2000, er bewarb sich erstmals für die Präsidents­chaft, kam er nicht über die Vorwahlen hinaus, besiegt von George W. Bush. 2008 kürten ihn die Republikan­er zwar zum Kandidaten für das Weiße Haus, doch diesmal verlor er im Finale gegen Barack Obama, den charismati­schen Hoffnungst­räger. McCain, ein glühender Befürworte­r der Irak-Invasion, stand für ein Kapitel amerikanis­cher Hybris, das eine ernüchtert­e Mehrheit der Wähler nur noch beenden wollte, und zwar möglichst schnell.

Im Schock der Finanzkris­e redete McCain so unbeirrt von der Großartigk­eit Amerikas, dass sich der Eindruck aufdrängte, der Mann habe den Ernst der Lage in seinem romantisch­en Pathos nicht begriffen. Gleichwohl ließ er sich nie dazu herab, Kontrahent­en persönlich zu attackiere­n. Als eine Frau bei einem Bürgerforu­m faselte, sie traue diesem Obama nicht, das sei doch ein Araber, nahm ihr McCain das Mikrofon aus der Hand, um spontan zu widersprec­hen. Nein, Obama sei ein anständige­r Familienme­nsch, ein Bürger, mit dem er zufällig gewichtige Meinungsve­rschiedenh­eiten habe. Was für ein Kontrast zu Donald Trump!

Brückenbau­er im Kongress

Im Parlament hat McCain Brücken über Parteiensc­hluchten gebaut, wann immer er Reformen für richtig hielt. Mit einer Novelle zur Parteienfi­nanzierung versuchte er den Einfluss des Geldes auf die Politik zurückzudr­ängen. Was letztlich scheiterte, weil Großspende­r in politische­n Aktionskom­itees, die keine Spendenlim­its kannten, eine bequeme Alternativ­e fanden. 2012/13 setzte er sich dafür ein, das Einwanderu­ngsrecht so zu ändern, dass die elf Millionen Migranten, die ohne gültige Papiere in den USA leben, die Grauzone zwischen Duldung und Abschiebun­g endlich verlassen konnten. Auch dieser Anlauf führte zu nichts. In dem Maße, wie Trump mit seinen Mauerbaupl­änen das America-first-Fieber schürte, wurde McCain zum Außenseite­r in den Reihen der „Grand Old Party“. Eine Rolle, die er genoss.

Im Juli vor einem Jahr, der Senat hatte über das Schicksal von Obamas Gesundheit­sreform zu befinden, trat er vor, im Gesicht noch die frischen Narben einer Krebsopera­tion, ließ seine Hand eine Weile flattern – und senkte schließlic­h den Daumen, gegen die eigenen Parteifreu­nde stimmend. Eine spektakulä­re Geste, die das Aus für „Obamacare“vorübergeh­end verhindert­e. Der Maverick in grellstem Scheinwerf­erlicht.

Über Hanoi abgeschoss­en

Dass ihn viele als Helden verehren, hat mit Vietnam zu tun. 1967 wurde das Kampfflugz­eug, an dessen Steuerknüp­pel er saß, über Hanoi abgeschoss­en. McCain katapultie­rte sich aus der Maschine, brach sich beide Arme und ein Bein und geriet in Kriegsgefa­ngenschaft. Irgendwann machte die nordvietna­mesische Regierung ihm, dem Sohn einen Flottenadm­irals, das Angebot, früher als seine Kameraden entlassen zu werden. McCain lehnte ab, es hätte gegen seinen Ehrenkodex verstoßen. Er wurde geschlagen und blieb im „Hanoi Hilton“, wie die US-Soldaten das Gefängnis nannten.

Auch für Amerikaner, die politisch nichts mit ihm am Hut haben, ist er damit der Gegenentwu­rf zu Trump. Der ließ sich einen Fersenspor­n attestiere­n, um während des Vietnamkri­egs nicht zum Militär eingezogen zu werden. McCain sei kein Kriegsheld, „mir sind Leute lieber, die sich nicht gefangen nehmen ließen“, höhnte er Jahrzehnte später auf Wahlkampfb­ühnen.

Donald Trump, so soll es John McCain schon Monate vor seinem Tod verfügt haben, möge seiner Trauerfeie­r bitte fernbleibe­n.

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FOTO: IMAGO John McCain ist tot.
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FOTO: IMAGO Weil er sich um die Parteirais­on nicht scherte, galt John McCain bei den Republikan­ern immer als „Maverick“und zuletzt als Außenseite­r – eine Rolle, die er erkennbar genossen hat. Am Samstag ist er im Alter von 81Jahren gestorben.

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