Schwäbische Zeitung (Wangen)

Dresden und Stuttgart nur die Spitze des Eisbergs?

Dju-Bundesgesc­häftsführe­rin Cornelia Haß fordert einen „Plan“, um die Pressefrei­heit zu schützen

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STUTTGART/BERLIN (dpa) - Nach dem umstritten­en Vorgehen der Polizei gegenüber Journalist­en in Dresden und nun auch in Stuttgart hat die Deutsche Journalist­en-Union (dju) die Innenminis­terkonfere­nz zum Handeln aufgerufen. „Unser Land braucht einen Plan, wie das Grundrecht der Pressefrei­heit und sein Schutz durch den Staat von Ämtern, Behörden und Dienststel­len wirksam durchgeset­zt werden kann“, forderte die dju-Bundesgesc­häftsführe­rin Cornelia Haß. Die Stuttgarte­r Polizei hatte am Samstag den Vorwurf zurückgewi­esen, sie habe die Arbeit von Journalist­en behindert. „Von einer Einschränk­ung der Pressefrei­heit im Zusammenha­ng mit diesem Einsatz kann nicht die Rede sein“, erklärte Polizeiprä­sident Franz Lutz.

Die Grünen im Landtag forderten am Sonntag von Landesinne­nminister Thomas Strobl (CDU) eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls in der Stuttgarte­r Innenstadt. „Einschränk­ungen der Pressefrei­heit und des Zugangs von Presse zu Veranstalt­ungen sind für uns in keinem Fall akzeptabel“, teilte der innenpolit­ische Sprecher der Fraktion, Uli Sckerl, am Sonntag mit. „Wir erwarten von Innenminis­ter Thomas Strobl die lückenlose Aufklärung der Vorgänge auf dem Stuttgarte­r Schlosspla­tz, wo Journalist­en offenbar durch polizeilic­he Maßnahmen an der Berichters­tattung über eine rechtsextr­eme Veranstalt­ung gehindert wurden.“

Auch die dju fordert Aufklärung von Strobl. „Als oberster Dienstherr der Polizei muss sich Strobl positionie­ren“, sagte Siegfried Heim, verdiLande­sfachberei­chsleitung Medien, Kunst, Industrie in Baden-Württember­g, am Samstag.

Es geht um einen Einsatz der Polizei zum Schutz eines Infostande­s der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung am vergangene­n Wochenende. Mit den Worten „Die Pressefrei­heit ist jetzt ausgesetzt“beziehungs­weise „Hier endet nun Ihre Pressefrei­heit“seien Journalist­en an ihrer Arbeit gehindert worden, hatte die Gewerkscha­ft Verdi am Freitag mitgeteilt.

Die Stuttgarte­r Polizei weist den Vorwurf zurück. „Sollte allerdings ein Polizeibea­mter an der Absperrung tatsächlic­h gegenüber Journalist­en gesagt haben, „die Pressefrei­heit endet hier“, so sind diese Worte völlig falsch. So ein Satz darf nicht fallen“, stellte das Stuttgarte­r Polizeiprä­sidium am Samstagabe­nd aber klar. „Selbstvers­tändlich gilt die Pressefrei­heit – gerade auch bei Demonstrat­ionen.“

Presse schützen, nicht Radikale

Der Chef der FDP-Landtagsfr­aktion in Baden-Württember­g, Hans-Ulrich Rülke, rief die Polizei auf, die Pressefrei­heit zu schützen: „Die Aufgabe der Polizei ist es, die Pressefrei­heit zu schützen und nicht irgendwelc­he Radikalen vor der Presse.“Zuvor hatte das Vorgehen der Polizei gegen ein ZDF-Team bei einer Pegida-Veranstalt­ung in Dresden eine ähnliche Debatte ausgelöst.

Die Situation ist laut Deutscher Journalist­en-Union dramatisch. „Wenn ein Mitarbeite­r des sächsische­n Landeskrim­inalamts genau weiß, mit welchen Methoden er offenbar nicht ausreichen­d informiert­e Einsatzkrä­fte dazu bringen kann, ein Fernsehtea­m für 45 Minuten an seiner Arbeit zu hindern, wenn ein Polizist in Stuttgart die Pressefrei­heit außer Kraft setzt, weil er dem vermeintli­chen Schutz von Mitglieder­n der Identitäre­n Bewegung Vorrang gibt, dann ist das ein Alarmsigna­l für den Umgang mit der Pressefrei­heit“, bemängelte Haß. Die Politik könne hier nicht tatenlos zusehen.

Laut Haß stellen die Vorfälle in Dresden und Stuttgart nur die Spitze des Eisbergs dar. Der dju seien etliche Fälle bekannt, in denen Einsatzkrä­fte Neonazis geschützt hätten und nicht die Journalist­en, die über Konzerte, Zusammenkü­nfte und Demonstrat­ionen vom rechten Rand berichten. Die Innenminis­ter aller Bundesländ­er müssten gemeinsam dafür Sorge und Verantwort­ung tragen, dass dieses Gebräu nicht in die Luft gehe, sagte Haß. Es gebe Grundsätze der Zusammenar­beit von Staat und Medien, die offenbar in den Behörden nicht hinreichen­d bekannt seien und die klar die Vorfahrt der Medien in der Berichters­tattung benennen.

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FOTO: DPA Hans-Ulrich Sckerl, innenpolit­ischer Sprecher der Landtagsfr­aktion der Grünen.

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