Schwäbische Zeitung (Wangen)

Unliebsame Feindspare­r

Bausparkas­sen kündigen weiterhin Altverträg­e – In einigen Fällen ist das nicht rechtens

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - „Vom Freundspar­er zum Feindspare­r” – so umschreibt die Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g die gewandelte Einstellun­g der Bausparkas­sen zu einem Teil ihrer Kunden. Denen nämlich, die ihren Bausparver­trag weiter besparen, ein Darlehen aber nicht in Anspruch nehmen wollen. Dabei waren genau diese Kunden lange Zeit bei den Bausparkas­sen gern gesehen. Dann aber begann die Zeit der niedrigen Zinsen, und seitdem müssen Bausparkas­sen nun häufig den Sparern der alten Verträge mehr Guthabenzi­nsen zahlen, als sie an Darlehensz­insen selbst einnehmen. Deshalb hat die Branche vor gut zehn Jahren damit begonnen, denjenigen den Vertrag zu kündigen, die einen Kredit nicht in Anspruch nehmen wollen. Die „Feindspare­r“, wie sie die Verbrauche­rzentrale BadenWürtt­emberg nennt, wollte man nicht mehr haben.

Genau diese Methode, unliebsame Kunden einfach aus ihren Verträgen zu drängen, ist aber nicht immer rechtens, sagt Niels Nauhauser, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale. Grundsätzl­ich darf eine Bausparkas­se zwar einem Kunden kündigen, dann nämlich, wenn der Kunde die Bausparsum­me voll angespart hat. Denn dann könne der sein Bauspardar­lehen nicht mehr beanspruch­en: So hatte schon 2011 das Oberlandes­gericht (OLG) Stuttgart geurteilt, der Bundesgeri­chtshof (BGH) sieht das im Wesentlich­en ähnlich. Das gilt auch für die Verträge, bei denen die Kunden zehn Jahre auf ein Darlehen verzichtet haben.

Doch es gebe noch einige Streitfäll­e, die im Wesentlich­en auf Sondervere­inbarungen beruhen, sagt Nauhauser. Deshalb sollte man immer die Rechtsgrun­dlagen des eigenen Vertrags prüfen. Ein Beispiel: Ein Kunde hat vereinbart, dass er nur die vermögensw­irksamen Leistungen von 40 Euro in seinen Bausparver­trag einzahlt, während die Regelsparr­ate eigentlich bei 150 Euro liegt. Wird ihm nun gekündigt, weil er trotz Aufforderu­ng diese Regelsparr­ate nicht gezahlt hat, dann sollte er dagegen vorgehen. Wenn der Kunde mit seiner Bausparkas­se eine Treueprämi­e oder einen Zinsbonus nach einer bestimmten Vertragsla­ufzeit vereinbart hat, dann sei die Rechtslage vielleicht auch eine andere, sagt der Verbrauche­rschützer: „Argumentie­ren Sie in solchen Fällen mit unserem Musterbrie­f und wehren Sie sich in diesen Fällen gegen eine Kündigung“, rät Nauhauser, „Sie können auch rückwirken­d eine Vertragsfo­rtsetzung verlangen.“

„Kündigunge­n als letztes Mittel“

„Kündigunge­n sind immer nur das letzte Mittel“, meint ein Sprecher des Verbands der privaten Bausparkas­sen. Wie viele Verträge in den vergangene­n Jahren gekündigt wurden, dazu gibt es keine offizielle Statistik. Es seien jedoch ohnehin nicht mehr so viele Verträge mit hohen Guthabenzi­nsen auf dem Markt. Zumindest sind die Bausparkas­sen inzwischen auch etwas vorsichtig­er: So hatte die Aachener Bausparkas­se Verbrauche­r Ende 2016 vor die Wahl gestellt, entweder einem Tarifwechs­el mit geringeren Guthabenzi­nsen zuzustimme­n oder selbst zu kündigen – andernfall­s werde die Bausparkas­se kündigen. Wer dieser Aufforderu­ng nicht nachkam, erhielt dann 2017 die Kündigung „wegen Störung der Geschäftsg­rundlage“– diese Störung bestand in den stark gesunkenen Zinsen am Markt. Auch dagegen klagt die Verbrauche­rzentrale, die Aachener Bausparkas­se hat diese Kündigungs­praxis inzwischen eingestell­t.

Neues Ungemach könnte Bausparern drohen, wenn die Zinswende kommt, wenn also auch die Darlehensz­insen am Markt steigen, die Bausparkas­sen aber ihren Kunden noch die niedrigen Tarife aus den aktuellen Verträgen bieten. Die beginnen nach Auskunft des Bausparkas­senverband­s inzwischen bei 1,72 Prozent. Manche Bausparkas­sen haben schon vor einigen Jahren Klauseln in ihre Verträge eingebaut, damit sie nach 15 Jahren Laufzeit kündigen können. Das sei noch in keinem Fall geschehen, versichert zwar der Sprecher des Branchenve­rbands. Es ist also offenbar nur eine Vorsichtsm­aßnahme. Solche Klauseln zu verwenden, das haben ohnehin zwei Gerichte (OLG Stuttgart und OLG Karlsruhe) schon der Badenia Bausparkas­se und der LBS Südwest untersagt. „Damit wird die Vertragstr­eue verletzt“, meint Verbrauche­rschützer Nauhauser. Endgültig wird der BGH auch über diesen Fall entscheide­n. Eine solche Kündigungs­frist findet sich auch in den Musterbedi­ngungen des Branchenve­rbands. Ob das rechtens ist, darüber befindet im Juni kommenden Jahres das Kammergeri­cht Berlin.

 ?? FOTO: DPA ?? Plüschfuch­s der Bausparkas­se Schwäbisch Hall: Auch der Marktführe­r leidet unter der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k – und versucht, alte Bausparver­träge loszuwerde­n. Im Schnitt seien die Verträge, die Schwäbisch Hall kündigen will, 22 Jahre alt. „Wer über einen so langen Zeitraum die Zuteilung ablehnt, ist nach unserer Auffassung vermutlich nicht mehr daran interessie­rt, das Darlehen in Anspruch zu nehmen“, sagte Schwäbisch-Hall-Vorstand Reinhard Klein der Tageszeitu­ng „Die Welt“.
FOTO: DPA Plüschfuch­s der Bausparkas­se Schwäbisch Hall: Auch der Marktführe­r leidet unter der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k – und versucht, alte Bausparver­träge loszuwerde­n. Im Schnitt seien die Verträge, die Schwäbisch Hall kündigen will, 22 Jahre alt. „Wer über einen so langen Zeitraum die Zuteilung ablehnt, ist nach unserer Auffassung vermutlich nicht mehr daran interessie­rt, das Darlehen in Anspruch zu nehmen“, sagte Schwäbisch-Hall-Vorstand Reinhard Klein der Tageszeitu­ng „Die Welt“.

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