Schwäbische Zeitung (Wangen)

Krisenwähr­ung in der Krise

Gold gilt als sichere Anlage in unsicheren Zeiten, doch nun lässt der starke Dollar den Preis des Edelmetall­s fallen

- Von Bernhard Funck

FRANKFURT (dpa) - Liebhaber von Gold werden in diesen Tagen nicht so recht glücklich mit ihrer bevorzugte­n Geldanlage. Denn das als „Krisenwähr­ung“und „Stabilität­sanker“bekannte Edelmetall steckt selbst in der Krise. Ob Absturz der türkischen Lira, politische Turbulenze­n in Italien, Handelskon­flikte, der Streit ums iranische Atomprogra­mm, die Nordkorea-Krise, Brexit oder Trump – Gold konnte von alldem kaum profitiere­n. Selbst die vielerorts anziehende Teuerung kann Gold, das als Inflations­schutz gilt, nicht puschen. Ist Gold als Fluchtwähr­ung bei Investoren aus der Mode?

„Gold wird seinem Ruf als Krisenwähr­ung derzeit nicht gerecht“, sagt Carsten Fritsch. Der Experte von der Commerzban­k, der sich täglich mit dem Goldpreis beschäftig­t, spielt auf die Bilanz in diesem Jahr an. Und die fällt ernüchtern­d aus: Trotz zahlreiche­r Risiken in der Welt ist der Goldpreis seit Jahresanfa­ng um fast zehn Prozent gesunken. Der Rekordwert von 1921 US-Dollar, erreicht im Krisenjahr 2011, ist außer Reichweite. Zurzeit kostet eine Feinunze (31 Gramm) des Edelmetall­s 1190 Dollar. Das sind 40 Prozent weniger als zum Höhepunkt vor sieben Jahren. In den vergangene­n fünf Jahren hat sich der Preis nur schleppend zwischen 1100 und 1400 Dollar bewegt.

Experten sind wenig überrascht, dass der Goldpreis trotz der Risiken in der Welt keinen Auftrieb bekommt und sogar sinkt. Ein wichtiger Grund für das schwächeln­de Gold sei der Höhenflug des amerikanis­chen Dollars, sagt Jan Edelmann, Experte von der HSH Nordbank. Der Zusammenha­ng ist im Grunde simpel: Gold wird internatio­nal in der amerikanis­chen Währung gehandelt. Deshalb wird das Edelmetall für viele Nachfrager teurer, wenn der Dollarkurs steigt. Dieser Effekt dämpft die Nachfrage und lässt den Goldpreis fallen.

Doch es sind nicht nur Währungsef­fekte, die den Goldpreis belasten. Denn Gold und der amerikanis­che Dollar stehen in einer gewissen Konkurrenz zueinander. Beide gelten als sichere Häfen, die in stürmische­n Zeiten angesteuer­t werden. Der Dollar ist jedoch ein mächtiger Konkurrent: Volkswirte des britischen Analysehau­ses Capital Economics zeigen, dass der Goldpreis selbst in Krisenzeit­en nur dann zulegen kann, wenn zugleich der Dollar schwächelt. Das bedeutet: Gold wird von vielen Anlegern offenbar nur dann als sicherer Hafen angesteuer­t, wenn zugleich die Weltreserv­ewährung US-Dollar als Absicherun­g weniger gefragt ist.

Eng verbunden damit ist ein anderer Belastungs­faktor: das Zinsniveau. Denn so schön Gold auch glänzen mag, es hat einen gravierend­en Nachteil gegenüber anderen Finanzanla­gen – es wirft keine Zinsen ab. Konkurrenz erwächst Gold hier vor allem durch amerikanis­che Staatsanle­ihen. Die werfen nicht nur regelmäßig Zinsen ab. „Anleger betrachten Staatsanle­ihen der USA auch als sicheren Hafen allererste­r Wahl“, sagt Commerzban­k-Experte Fritsch. Steigen – wie derzeit in den USA – die Zinsen, fällt der Nachteil der zinslosen Goldanlage stärker ins Gewicht, das Edelmetall wird weniger lukrativ.

Schwellenl­änder kaufen nicht

Und es gibt weitere Gründe für die Gold-Schwäche. Experte Edelmann verweist etwa auf die Kursschwäc­he von Währungen vieler aufstreben­der Volkswirts­chaften. Schwellenl­änder, nicht zuletzt die krisengesc­hwächte Türkei, sind große Gold-Nachfrager. Geben deren Währungen nach, sinkt auch die Gold-Nachfrage von dort. Experte Fritsch kann sich zudem vorstellen, dass sich bei Anlegern eine Art „Krisen-Müdigkeit“eingestell­t hat: „Man muss sich nur die steigenden Kurse am US-Aktienmark­t vor Augen führen. Von Krisenstim­mung kann im Grunde keine Rede sein.“Infolge der Flut an Hiobsbotsc­haften könnten Anleger schlicht abgestumpf­t sein – und deshalb weniger Gold kaufen.

Auch wenn offensicht­lich wenig für eine rasche Gold-Renaissanc­e spricht – komplett schwarz sehen Fachleute für das Edelmetall nicht. Zumindest das Gröbste der Talfahrt sei überstande­n, meint Experte Edelmann. Sein Kollege Fritsch argumentie­rt grundsätzl­ich: „Gold hat seinen Status als Krisenschu­tz nicht verloren. Vielmehr ist die Krisenstim­mung noch nicht ausgeprägt genug, damit Gold profitiert.“Ein Lichtblick sei gerade in der extrem negativen Marktstimm­ung gegenüber Gold zu sehen. „Zurzeit wetten so viele Anleger gegen Gold wie noch nie.“Sollte sich zeigen, dass diese Wetten nicht aufgehen, der Goldpreis also plötzlich steige, müssten sich die Spekulante­n mit Gold eindecken. Das würde dem Goldpreis zugute kommen.

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FOTO: DPA Goldbarren unterschie­dlicher Größe: Starker Dollar, keine Zinsen – der Preis des Edelmetall­s ist weit weg von seiner Rekordmark­e.

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