Schwäbische Zeitung (Wangen)

Teure Transporte

Speditione­n wollen die ausgeweite­te Lastwagenm­aut direkt an ihre Kunden weitergebe­n

- Von Maike Woydt

RAVENSBURG/BERLIN - Viele Autofahrer halten die blauen, vier Meter hohen Säulen an den Bundesstra­ßen für einen Blitzer. Doch sie haben einen anderen Zweck: Sie überwachen mit Sensoren und Kameras den vorbeifahr­enden Verkehr und sollen mautpflich­tige Lastwagen von Autos unterschei­den. Technisch sind die Säulen vergleichb­ar mit den Kontrollbr­ücken an Autobahnen.

In den vergangene­n Wochen sind an vielen Bundesstra­ßen Säulen neu hinzugekom­men, denn seit Juli gilt die Maut für Lastwagen auch auf allen deutschen Bundesstra­ßen – insgesamt rund 39 000 Kilometer. Bis dahin mussten Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen bereits für Autobahnen und rund 2300 Kilometer Bundesstra­ße zahlen. Für den Bund bedeutet das – die Erhöhung der Mautgebühr­en Anfang 2019 eingerechn­et – zusätzlich­e Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro im Jahr, sodass Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) künftig mit 7,2 Milliarden Euro planen kann. Für die Speditione­n bedeutet die Neuregelun­g zustätzlic­he Kosten – die sie an ihre Kunden weitergebe­n werden.

Das Logistikun­ternehmen Dachser, mit Sitz in Kempten im Allgäu, immerhin der zweitgrößt­en Lebensmitt­eltranspro­teur in Deutschlan­d, behandelt die Maut wie eine Steuer, „die wir seit dem gesetzlich­en Einführung­stermin korrekt an unsere Kunden weiterleit­en“, sagt Salvatore Di Nolfi, Niederlass­ungsleiter des Dachser Logistikze­ntrums Bodensee-Oberschwab­en, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Weitergabe der Kosten erfolge anhand von Sendungsun­d Verrechnun­gsstruktur­en. „Dieses Vorgehen hat sich schon bei früheren Mauteinfüh­rungen beziehungs­weise -anpassunge­n bewährt und wird inzwischen von allen Partnern in der Wertschöpf­ungskette akzeptiert“, erklärt Di Nolfi weiter.

Ähnlich verfährt auch das Speditions­und Logistikun­ternehmen Grieshaber aus Weingarten (Kreis Ravensburg). Auch dort werden die Mehrkosten an Kunden weitergege­ben. „Insgesamt haben sich, das ist aber strukturab­hängig und standortab­hängig, Kostenstei­gerungen zwischen drei bis fünf Prozent auf die Transportk­osten eingespiel­t“, sagt Arnold Zimmermann, Unternehme­nssprecher und Marketing-Leiter bei Grieshaber. Das Problem der Maut sehe er darin, dass Kunden mehr zahlen müssten, ohne mehr Leistung zu bekommen. Hinzu käme, dass Anfang 2019 eine weitere Mautwelle auf die Wirtschaft zukäme. „Während nun das Netz erweitert wurde, werden in 2019 die Mautsätze drastisch erhöht“, sagt Zimmermann. Auch das ohne jegliche Mehrleistu­ng. „Das wird in der Branche zu einigen Verwerfung­en führen.“

Der Bund nutzt die Maut dafür, um Straßensch­äden zu reparieren, die durch die Nutzung der Lastwagen entsteht. Die Gebühren sollen vorwiegend in den Bau, Erhalt und den Betrieb von Autobahnen und Bundesstra­ßen fließen. In einer gemeinsame­n Erklärung haben die fünf großen Speditions­verbände darauf hingewiese­n, dass die Kosten durch die Mautauswei­tung auf die Bundesstra­ßen bei etwa zwei Milliarden Euro jährlich liegen. Ihre Forderung ist klar: Der Bund müsse die Zusatzeinn­ahmen zweckgebun­den – das heißt für die Sanierung des Straßennet­zes – verwenden.

Gefahr der Verkehrsve­rlagerung

Eine große Sorge von Gegnern der Maut-Ausweitung war die Gefahr der Verlagerun­g des Schwerlast­verkehrs auf Land- und mautfreie Straßen. Das Bundesverk­ehrsminist­erium geht aber nicht davon aus, dass eine „nennenswer­te“Verlagerun­g stattfinde­t. Die Kostenersp­arnis bei der Maut würde die zusätzlich­e Fahrzeit nicht aufwiegen, teilte das Ministeriu­m mit. Für belastbare Aussagen sei es allerdings noch zu früh. Erfahrung aus der Vergangenh­eit zur Mauteinfüh­rung und -erweiterun­g hätten gezeigt, dass langfristi­g keine Verkehrsve­rlagerunge­n stattgefun­den hätten.

Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Professor Gernot Liedtke, Abteilungs­leiter am Institut für Verkehrsfo­rschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Zwar sei der Ausweichve­rkehr nach der Mauteinfüh­rung 2005 kurzfristi­g stark in die Höhe geschnellt, nach einigen Wochen sei er aber wieder deutlich zurückgega­ngen, so Liedtke. Lediglich an Stellen, an denen gut ausgebaute Bundesstra­ßen im Vergleich zur Autobahn einen Vorteil bringen, sei der Ausweichve­rkehr geblieben. Mit einem ähnlichen Verhalten rechnet Liedtke auch bei der Mautauswei­tung.

Bei Dachser spielt die Maut in der Routenplan­ung keine Rolle. „Wir planen mit dem kürzesten und effiziente­sten Weg, um Waren zu transporti­eren. Das zahlt sich sowohl aus ökologisch­er als auch aus ökonomisch­er Sicht aus“, sagt Salvatore Di Nolfi. Fahrer des Unternehme­ns Grieshaber können ihre Fahrtroute grundsätzl­ich selbst wählen. Lediglich für Schwerlast-, Gefahrgutt­ransporte und Transporte im Pharmabere­ich gibt es teilweise vorgegeben­e Routen. Diese müssen eingehalte­n werden, egal ob sie über mautpflich­tige Straßen mit blauen Kontrollsä­ulen oder -brücken führen.

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FOTO: DPA Ein Lastwagen an einer Mautsäule auf einer Bundesstra­ße bei Löwenstein (Kreis Heilbronn): Seit Juli gilt die Maut für Lastwagen auch auf allen Bundesstra­ßen in Deutschlan­d.

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