Schwäbische Zeitung (Wangen)

Sportlich top – Zuschauer flop

Gemischte Gefühle nach Para-EM – Rehm träumt weiter von gemeinsame­n Wettkämpfe­n

-

BERLIN (SID) - Den Weltrekord von Markus Rehm, eine der zahlreiche­n sportliche­n Höchstleis­tungen der Para-Leichtathl­eten bei der EM in Berlin, bekam kaum jemand mit. An den sieben Wettkampf-Tagen waren die Ränge im Friedrich-LudwigJahn-Sportpark meist nur spärlich besetzt. Für Athleten wie Funktionär­e und Ausrichter enttäusche­nd. „Der Jahn-Sportpark könnte ein Zentrum europäisch­er Para-Leichtathl­etik werden. Wäre nur schön, wenn die Berliner da auch mitgemacht hätten“, klagte Friedhelm Julis Beucher, der Präsident des Deutschen Behinderte­nsportverb­andes (DBS). Kugelstoß-Europameis­ter Sebastian Dietz war enttäuscht. „Schade, dass so wenige Zuschauer da waren. Sie haben was verpasst.“

Für die mangelnde Resonanz machte Beucher auch den Europäisch­en Leichtathl­etik-Verband verantwort­lich, klagte ihn sogar an. Der europäisch­e Verband habe von Anfang an „Nein“gesagt zu jeglicher Kooperatio­n. Dass bei der Leichtathl­etik-EM im Berliner Olympiasta­dion zuvor eine gemeinsame Werbung und ein gemeinsame­r Kartenverk­auf unterbunde­n wurde, sei nicht nur eine vergebene Chance.

„Das war nicht nur unangemess­en, das war auch diskrimini­erend“, sagte der frühere SPD-Bundestags­abgeordnet­e. Er forderte seine europäisch­en Leichtathl­etik-Kollegen auf: „Werdet endlich dem gesetzlich­en Anspruch der Inklusion gerecht. Auch eure Mitgliedss­taaten haben die UN-Resolution unterschri­eben.“Einzig die immer besser werdende Kooperatio­n mit dem deutschen Verband sei ein Hoffnungss­chimmer. Was den Sport angeht, da zog Beucher bei der hervorrage­nd organisier­ten EM eine „sehr zufriedene“Bilanz.

Angeführt von den Goldgewinn­ern Rehm im Weitsprung (8,48 Meter) sowie Birgit Kober (Kugelstoße­n/11,79 Meter), die zudem mit Weltrekord­en aufwartete­n, zeigte das deutsche Team starke Leistungen. Die Leverkusen­er Prothesens­printer Felix Streng (100 Meter vor Floors) und Johannes Floors (400 Meter) sowie Mathias Mester (Speerwerfe­n) sorgten für einen goldenen deutschen Abschluss.

Nach seiner Flugshow auf Weltrekord von 8,48 Meter hofft Rehm derweil immer noch, dass in naher Zukunft behinderte und nichtbehin­derte Sportler gemeinsame Wettkämpfe austragen. „Ich finde es traurig, dass wir von denen und uns sprechen, und nicht von wir“, sagte der 30-Jährige. Der Leverkusen­er kämpft seit Jahren dafür, wie einst Südafrikas tief gefallener Paralympic­s-Star Oscar Pistorius bei den Olympische­n Spielen starten zu können. Als Rehm 2014 überrasche­nd als erster Para-Athlet deutscher Meister bei den Nicht-Behinderte­n geworden war, hatte dies eine intensive Debatte ausgelöst. Letztlich kam ein wissenscha­ftliches Gutachten zu dem Schluss, dass

„Das war nicht nur unangemess­en, das war auch diskrimini­erend.“

Friedhelm Julis Beucher

Rehms Leistungen durch seine HighTech-Prothese nicht mit denen olympische­r Springer vergleichb­ar sind. Ein Umstand, den Rehm längst akzeptiert hat. Sein Anliegen ist ein anderes.

„Mir geht es nicht um Medaillen, sondern um das Signal.“Er würde bei internatio­nalen Großereign­issen auch außerhalb der Konkurrenz antreten, wie zum Beispiel bei den deutschen Meistersch­aften. Und er hofft, dass gemeinsame Wettbewerb­e in Zukunft „ganz normal“sind. „Ich verstehe nicht, wo da die Probleme sind. Mir geht es gar nicht darum, eine Medaille zu gewinnen. Meine Medaillen gewinne ich bei den paralympis­chen Sportlern. Ich hoffe, dass wir in Zukunft noch enger zusammenko­mmen und viele Wettkämpfe gemeinsam machen“, sagte er.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Markus Rehm lieferte erneut einen Weltrekord-Satz ab.
FOTO: IMAGO Markus Rehm lieferte erneut einen Weltrekord-Satz ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany