„Ein klarer Nachteil für Flächengemeinden“
CDU-Fraktion und Raimund Haser setzen sich für neues ländliches Förderprogramm ein
WANGEN/LEUTKIRCH - Die Landtagsfraktion der CDU will ein neues Förderprogramm für den ländlichen Raum. Davon sollen gezielt Kommunen mit einer großen Gemarkung profitieren. Wangen, Leutkirch, Bad Wurzach oder auch Bad Waldsee würde ein solches Programm sehr entgegenkommen. Es sei sogar „dringend notwendig“, sagt Raimund Haser, Landtagsabgeordneter der CDU im hiesigen Wahlkreis. Mit ihm sprach Uwe Jauß.
Erst dieser Tage haben die Oberbürgermeister von Wangen und Leutkirch, Michael Lang sowie Hans-Jörg Henle, den CDU-Vorstoß ausdrücklich begrüßt. Was versteckt sich denn hinter dem anvisierten Förderprogramm?
Bisher ist beim kommunalen Finanzausgleich die Einwohnerzahl das Maß aller Dinge. Dies bevorzugt beispielsweise dicht besiedelte Kommunen in Ballungsgebieten. Deswegen fordern wir einen Flächenfaktor. Für Städte wie Wangen oder Leutkirch ist die jetzige Regelung unfair. Sie haben eine sehr große Fläche und im Verhältnis dazu wenig Einwohner. Gleichzeitig muss aber eine entsprechende Infrastruktur bis in die letzte Verzweigung der Gemarkung aufrechterhalten werden. Statt einem Schulzentrum oder großen Kindergärten gibt es dann etwa mehrere kleine Schulen, Sportplätze und Kindertagesstätten. Die Zahl der einzelnen Feuerwehren muss größer sein. Die Teilorte brauchen ihre eigenen Einrichtungen für ihre Vereine – und so weiter.
Dieser Zustand ist aber doch nicht neu, oder?
Nein. Eine zentrale Ursache ist die Kommunalreform 1972. Leutkirch und Wangen haben sie, wie andere, seinerzeit engagiert umgesetzt und sind durch Eingemeindungen stark gewachsen. Wofür die großen Städte heute im Prinzip bestraft werden, weil sie eben die ganze Infrastruktur vorhalten müssen, ohne bei Zuweisungen des Landes das gleiche Geld zu erhalten als wenn Neuravensburg, Herlazhofen oder Reichenhofen weiter selbstständig wären. Will heißen: Das Land spart durch zentralere Strukturen, gleicht entstehende Nachteile aber nicht aus. Hinzu kommt noch ein regionaler historischer Faktor: die Vereinödung. Dadurch entstanden in unserer Region unzählige Gehöfte und Dörfer außerhalb der Siedlungskerne. Auch für sie muss eine Infrastruktur bereitgestellt werden. Andere Regionen wie der mittlere Neckarraum kennen diese Entwicklung nicht.
Weshalb kommt der Vorstoß für ein solches Förderprogramm zu diesem Zeitpunkt?
Jetzt beginnen bereits die Planungen für den neuen Doppelhaushalt des Landes für 2020 und 2021. Um entsprechende neue Mittel – und ohne die geht es meiner Ansicht nach nicht – bereitstellen zu können, müsste das betreffende Programm eingearbeitet werden. Wobei die Idee in der CDU Württemberg-Hohenzollern schon länger vorhanden ist. Mein Vorgänger Paul Locherer hat mit dem Fachausschuss bereits vor drei Jahren ein Papier dazu ausgearbeitet. Dass es eine Förderung für Flächengemeinden geben soll, ist zudem in den grün-schwarzen Koalitionsvertrag aufgenommen worden.
Wie stehen die Chancen für eine Umsetzung eines solchen Förderprogramms?
Was im Koalitionsvertrag steht, wollen wir natürlich auch machen. Da pochen wir darauf. Es ist eher die Frage, in welcher Höhe eine Förderung möglich sein wird. Letztlich geht es aber um einen gerechten Lastenausgleich. Leutkirch ist zum Beispiel der Fläche nach die fünftgrößte Gemeinde des Landes. Bei den Einwohnern belegt Sie Platz 87. Da kann die Einwohnerzahl nicht das Maß aller Dinge sein.
Gibt es mögliche Gegner einer solchen Förderung?
Der Städtetag und die Grünen, unter ihnen auch die Finanzministerin Edith Sitzmann, sind skeptisch. Wenn man so will, hängt dies damit zusammen, dass sie eher die Vertreter der Ballungszentren sind. Dort sind die Probleme der Flächengemeinden nicht gegenwärtig. Wir müssen in diesem Zusammenhang deutlich machen, dass es im Interesse der Ballungszentren ist, wenn der ländliche Bereich lebenswert bleibt. So kann der Zuwanderungsdruck auf die städtischen Zentren gemildert werden. Zudem verteilen sich Industrie und Gewerbe mehr übers ganze Land. An einer Zentralisierung kann niemand ein Interesse haben. Zudem besagen sowohl das Grundgesetz wie auch unsere Landesverfassung, dass der Staat überall gleiche Lebensverhältnisse anzustreben hat.
Nun sieht das Land Baden-Württemberg bereits Förderungen für den ländlichen Raum vor. Reicht dies nicht?
Die aktuellen Programme sind richtig und wichtig. Aber sie benachteiligen die Flächengemeinden. So kann beispielsweise jede Gemeinde eine Maßnahme zum Finanzausgleich über den sogenannten Ausgleichstock nur einmal im Jahr beantragen. Leutkirch und Wangen oder auch Bad Waldsee und Bad Wurzach setzen sich aber neben der Stadt aus weiteren Teilgemeinden zusammen. Die Ursache ist die bereits erwähnte Kommunalreform von 1972. Wären die Teilgemeinden unabhängig geblieben, könnte jede für sich Geld aus dem Ausgleichstock beantragen. So ist aber nur ein einziger Antrag möglich. Ein klarer Nachteil für Flächengemeinden.