Verfassungsschutz versuchte, seine Rolle im Fall Amri zu vertuschen
Neue Hinweise auf Ungereimtheiten vor dem Attentat in Berlin – FDP-Sicherheitspolitiker Strasser attackiert Maaßen
BERLIN (dpa/se) - Im Fall des islamistischen Terroranschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt gibt es neue Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die „Berliner Morgenpost“, das ARDPolitikmagazin „Kontraste“und der Sender RBB berichteten am Donnerstag, Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen habe offenbar versucht, die Rolle seiner Behörde geheim zu halten. Dies gehe aus einem internen Papier, das Verfassungsschutz-Mitarbeiter für Maaßen erstellt hätten, hervor.
Der Text diente demnach der Vorbereitung eines Gesprächs zwischen Maaßen und Berlins Innensenator Andreas Geisel und dessen Staatssekretär Torsten Akmann (beide SPD) am 24. März 2017 – drei Monate nach dem Terroranschlag. Bei der Attacke waren am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen getötet worden.
Wie das Gespräch zwischen Maaßen und Geisel tatsächlich ablief, bleibt unklar. Der Sprecher des Innensenators, Martin Pallgen, bestätigte zwar ein Gespräch zwischen den beiden im März 2017. Operative Maßnahmen oder mögliche Quellen des BfV seien damals aber nicht Thema gewesen.
Der Verfassungsschutz wies die in den Medienberichten veröffentlichten „Mutmaßungen zu Gesprächsinhalten“zurück. Ein Sprecher sagte, das Bundesamt habe alle Unterlagen im Zusammenhang mit dem Anschlag den zuständigen Bundestagsausschüssen vorgelegt.
Der FDP-Obmann im Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz, der Weingartener Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Nach dem Versagen des Verfassungsschutzes beim NSU ist das ein weiteres Versagen, das im Raum steht. Mein Eindruck ist, dass es immer mehr um den Schutz des Präsidenten des BfV und seiner Behörde als um den Schutz des V-Mannes geht.“
Für Strasser ist die Behauptung des BfV falsch, dass der laut den Medienberichten verheimlichte VMann nicht aus dem Umfeld des Weihnachtsmarkt-Attentäters Amri stamme. Der Mann, sagte Strasser der „Schwäbischen Zeitung“, habe sich in der salafistischen FussiletMoschee in Berlin aufgehalten – in der Amri laut Medienberichten sogar als Imam Gebete geleitet hatte und vor der er kurz vor dem Attentat im Dezember 2016 von einer Überwachungskamera gefilmt wurde.
Strassers Kommentar dazu: „Das BfV wusste von Amri und das BfV hatte einen V-Mann in der FussiletMoschee. Wenn die überschaubare Anzahl von Besuchern dieser Moschee, in der Amri als Imam aufgetreten sein soll, nicht das Umfeld von Amri bilden soll, dann hat das BfV nicht nur ein Problem mit der deutschen Sprache.“
Die Bundesregierung hatte im Januar 2017 auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen geantwortet: „Im Umfeld des Amri wurden keine V-Leute des BfV eingesetzt.“Im Frühsommer 2018 fragte Strasser erneut, allerdings etwas anders formuliert. Er fragte nach V-Leuten, „die im mittelbaren und unmittelbaren Umfeld der Fussilet-Moschee in Berlin aufhältig waren und Kontakte mit dem späteren Attentäter“hatten. Diesmal antwortete die Bundesregierung: „Eine weitergehende Beantwortung der Anfrage kann nach sorgfältiger Abwägung nicht erfolgen“, da sie das Staatswohl gefährden würde.