Schwäbische Zeitung (Wangen)

Junger Syrer stürzt in Deutschlan­d ab und landet im Gefängnis

22-Jähriger schlägt 14-Jährigen und stiehlt ihm sein Fahrrad – Sieben Straftaten in zwei Jahren

- Von Siegfried Großkopf

WANGEN/LEUTKIRCH - Wegen räuberisch­er Erpressung und vorsätzlic­her Körperverl­etzung hat das Amtsgerich­t Wangen am Dienstag einen 22-jährigen Syrer zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt. Der junge Mann gestand nach anfänglich­em Leugnen, am 18. Mai diesen Jahres auf einem Radweg an der Autobahnbr­ücke Leutkirch-West einem 14-jährigen Schüler dessen Mountainbi­ke gestohlen zu haben, nachdem er den Jungen zuvor nach einem Feuerzeug gefragt und mit zwei Faustschlä­gen traktiert und verletzt hatte.

Noch vor der Urteilsver­kündung flossen Tränen: beim Angeklagte­n wie dessen aus Aachen angereiste­r Cousine und seiner Tante. Sie konnten ebenso wenig wie die in Syrien am Boden zerstörte Mutter verstehen, wie der Sohn und Neffe in Deutschlan­d derart abstürzen konnte. Dessen letzte von insgesamt sieben Straftaten in nur zwei Jahren: die am Dienstag verhandelt­e räuberisch­e Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlic­her Körperverl­etzung.

Gegen 21.20 Uhr war der Leutkirche­r Schüler am Überfallta­g mit seinem Mountainbi­ke auf dem Heimweg, als sich ihm der zu Fuß entgegen kommende 22-Jährige in den Weg stellte, nach einem Feuerzeug fragte, den Jungen von seinem Rad zerrte und ihn auffordert­e: „Gib mir dein Rad.“Als der 14-Jährige „Nein“sagte, schlug ihm der 22-Jährige das erste Mal mit der flachen Hand an die Schläfe und nahm ihn in den Schwitzkas­ten. Es folgte ein zweiter Faustschla­g. „Dann nimm’ es halt“, äußerte der Junge, um sich vor weiteren Schlägen zu schützen. Daraufhin griff sich der Angeklagte das Fahrrad und davon fuhr.

Festnahme ohne Gegenwehr

Doch er kam nicht weit. Der 14-Jährige rief mit seinem Handy über die 110 die Polizei, die fünf Minuten später bereits am Tatort erschien, kurz darauf den jungen Mann auf dem Mountainbi­ke stoppte und ihm Handschlie­ßen anlegte. Wie der zuständige Hauptkommi­ssar im Zeugenstan­d berichtete, fanden die Beamten in der Hosentasch­e des 22Jährigen, der die Festnahme ohne Gegenwehr akzeptiert­e, fünf Gramm Marihuana.

In Fußfesseln und Handschlie­ßen war der Angeklagte in Begleitung dreier Beamter der Justizvoll­zugsanstal­t Freiburg in den Gerichtssa­al geführt worden. Aus Freiburg deshalb, da er in der Justizvoll­zugsanstal­t Hinzistobe­l einen Beamten mit einem Messer bedroht hatte und er deshalb verlegt worden war. Deswegen steht ihm ein weiterer Prozess bevor.

Blass, von schmächtig­er Statur und zurückhalt­end, machte der Angeklagte vor Gericht nicht den Eindruck eines profession­ellen Straftäter­s. Beim Amtsgerich­t in Leutkirch ist er gleichwohl wegen Diebstähle­n, Sachbeschä­digungen und einem gefährlich­en Eingriff in den Straßenver­kehr kein Unbekannte­r.

Zum Auftakt des Prozesses leugnete er den Überfall noch und behauptete: „Ich habe diese Person nicht zusammen geschlagen und nichts weggenomme­n“. Mehr noch: Das Fahrrad habe er auf dem Heimweg von einem Restaurant-Aufenthalt unterwegs gefunden.

Von der Jugendgeri­chtshilfe wusste das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Peter Pahnke, dass der Angeklagte in Syrien mit älteren Schwestern und Brüdern aufgewachs­en war und einen Schulabsch­luss vergleichb­ar mit dem deutschen Abitur abgelegt hatte. Anschließe­nd soll er Handys verkauft, Informatik­er gelernt und für den Zoll an der Grenze zu Jordanien gearbeitet haben.

Als Gebäuderei­niger gearbeitet

Über Istanbul kam er 2015 nach Deutschlan­d, erste Stationen waren Karlsruhe und Bad Wurzach. Zwei Jahre ließ er sich nichts zuschulden kommen, arbeitete als Gebäuderei­niger, ehe er mit dem Gesetz in Konflikt kam, Marihuana sowie Schmerzmit­tel konsumiert­e („damit ich mich wohl fühle“) und er erstmals eine Freiheitss­trafe verbüßen musste.

Wie er sich seine Zukunft vorstelle, will Richter Pahnke vom 22-Jährigen wissen. „Das weiß ich nicht“, ließ er den Dolmetsche­r übersetzen. Nur so viel: „Ich will nicht in Deutschlan­d bleiben, ich will zurück in meine Heimat“. Die eigens aus Aachen angereiste Cousine berichtete, erfolglos versucht zu haben, den 22jährigen Mann zu sich zu holen. In Syrien sei der Cousin ein guter Junge gewesen. Unverständ­lich sei den Verwandten, wie er sich hier entwickelt habe.

Der leitende Oberstaats­anwalt Alexander Boger sah in seinem Plädoyer keine Gründe für einen minderschw­eren Fall und beantragte eine Freiheitss­trafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der 22-Jährige sei planmäßig vorgegange­n, aggressiv und willkürlic­h gewesen und habe massive Gewalt eingesetzt. Seine Tat hätte für das Opfer ganz andere Folgen haben können. Sein Verteidige­r Norbert Kopfsguter plädierte auf ein Strafmaß zwischen einem und zwei Jahren. Das „würde reichen“. Auch weil sein Mandant gestanden habe – wenn auch spät.

Das sah das Gericht anders. Sie hielten die späte Behauptung des Beschuldig­ten, es seien Drogen im Spiel gewesen, für nachgescho­ben, um das Strafmaß zu reduzieren. „Man musste fast schon den Hund zum Jagen tragen“, meinte der Vorsitzend­e zu der späten Angeklagte­nEinlassun­g. Das Urteil: zwei Jahre und ein Monat Freiheitss­trafe wegen räuberisch­er Erpressung und vorsätzlic­her Körperverl­etzung. Der Haftbefehl wurde aufrechter­halten.

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ARCHIVFOTO: JASC Das Wangener Schöffenge­richt hat einen 22-Jährigen zu einer Gefängniss­trafe verurteilt.

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