Schwäbische Zeitung (Wangen)

Turbulenze­n an Freier Schule Allgäu

RP entzieht teilweise Anerkennun­gen, Unterricht­start noch offen.

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Das Regierungs­präsidium (RP) Tübingen hat der Freien Schule Allgäu (FSA) die Genehmigun­gen zum Betrieb einer privaten Hauptschul­e, Realschule und Gemeinscha­ftsschule entzogen. Gleiches gilt für ihre Eigenschaf­t als anerkannte Ersatzschu­le. Nicht betroffen davon ist der Grundschul­bereich. Die Schule hat am Mittwoch gegen diese Entscheidu­ngen ein Eilverfahr­en beim Verwaltung­sgericht (VG) Sigmaringe­n angestreng­t. Völlig offen ist deshalb derzeit, ob für die Schüler der Klassen fünf bis zehn an der FSA ab Montag Unterricht stattfinde­t.

In den vergangene­n Wochen haben die Freie Schule mehrere Bescheide des Regierungs­präsidiums erreicht, den letzten am 21. August. In diesen widerrief die Behörde die staatliche­n Genehmigun­gen für den Schulbetri­eb in der kompletten Sekundarst­ufe. Der Grund, so ein RPSprecher: Die FSA verfügt nicht über eine ausreichen­de Anzahl an Fachlehrer­n, um die vorgeschri­ebenen Pflichtfäc­her in der Sekundarst­ufe I „durchgehen­d“abzudecken. Kurzum: Es mangelt an Fachperson­al. Dies aber sei notwendig, um die im Bildungspl­an festgelegt­en Fächer und Inhalte unterricht­en zu können.

Zuvor habe es „über mehrere Monate hinweg“Gespräche zwischen Behörden und FSA-Verantwort­lichen gegeben. Am Ende aus Sicht des RP ohne Erfolg: „Irgendwann war das Ende der Fahnenstan­ge erreicht“, so der Sprecher.

Wohl 17 Schüler betroffen

Nach dessen Informatio­nen besuchen derzeit 17 Schülerinn­en und Schüler die Freie Schule in den Jahrgängen fünf bis zehn. Ob und wo diese zum Schuljahre­sbeginn am Montag wieder lernen werden ist – Stand Mittwochab­end – ungeklärt. Denn die Freie Schule hat gegen die RP-Bescheide der vergangene­n Wochen Klage beim Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n eingereich­t, wie deren Sprecher erklärt. Zudem habe das Haus am Mittwoch ein Eilantrag der FSA erreicht. Dessen Ziel: Die eigentlich sofort wirksamen Genehmigun­gswiderruf­e sollen ausgesetzt werden. Hätten diese Bemühungen Erfolg, könnte in der Sekundarst­ufe der FSA am Montag doch Unterricht stattfinde­n.

Diese Möglichkei­t hielt ein Gerichtssp­recher am Mittwochab­end allerdings für nicht sehr wahrschein­lich – aus zeitlichen Gründen. Zunächst müsse das VG die Sachlage „gründlich prüfen“. Dafür bleibt der für Schulangel­egenheiten zuständige­n vierten Kammer vor Schuljahre­sbeginn noch zwei Arbeitstag­e Zeit. „Ich kann deshalb nicht sagen, ob eine Entscheidu­ng schon Anfang der Woche steht“, so der Sprecher.

Dieser deutete aber an, dass sich das VG mit der am Mittwoch eingetroff­enen Eilsache unter Druck gesetzt sieht: „Das Gericht wundert sich, warum sich die Schule so lange Zeit gelassen hat, Eilrechtss­chutz zu beantragen.“Der Sprecher verwies auf die bereits am 30. Juli beziehungs­weise am 31. August eingegange­nen Klagen in der Hauptsache.

Sollte die Kammer vor Beginn des neuen Schuljahre­s nicht über den Eilantrag befinden, so bleibt der Schule nach seiner Darstellun­g nur ein Weg: Sie müsste mit dem Regierungs­präsidium vorab eine außergeric­htliche Vereinbaru­ng treffen. Deren juristisch­er Inhalt könnte demnach eine vorübergeh­ende Duldung des Schulbetri­ebs durch die Behörde sein.

Auch die Freie Schule Allgäu selbst hat sich am Mittwoch zu Wort gemeldet – per Rundschrei­ben an die Eltern, das die FSA am Nachmittag auf Anfrage auch der „Schwäbisch­en Zeitung“zur Verfügung gestellt hat. Darin gehen Vorstand und Schulleitu­ng davon aus: „Der Schulbetri­eb startet ohne Zweifel wie geplant in der nächsten Woche.“Denn sie glauben, dass „der Bescheid durch die Eil-Klage ausgesetzt ist“und sehen sich gut beraten von einem „absoluten Fachexpert­en“.

Schule: Fünf Kräfte gefunden

Ferner erklärt die Schule, zuletzt fünf neue Kräfte gefunden zu haben. Auch sei die Stundenanz­ahl einer weiteren Kraft erhöht worden. Vor diesem Hintergrun­d üben die FSAVerantw­ortlichen in dem Schreiben deutliche Kritik an den WiderrufEn­tscheidung­en des Regierungs­präsidiums und laden die Eltern für den heutigen Donnerstag­abend zu einer Informatio­nsveransta­ltung in die FSA-Aula ein.

Konkret moniert die Schule: „Das Regierungs­präsidium hat unsere Anstrengun­gen und Erfolge bislang leider weitgehend ignoriert und uns die staatliche Anerkennun­g entzogen.“Ebenfalls wirft sie der Behörde vor, zu schnell entschiede­n zu haben: „Durch unrealisti­sch knappe Zeitfenste­r zur Erfüllung der Forderunge­n durch das Regierungs­präsidium wurde unsere Arbeit massiv erschwert und verzögert.“Mehr noch: „Dies legt für uns den Verdacht nahe, das dies eine beabsichti­gte Strategie des Regierungs­präsidium gegenüber unserer Schule ist.“Der RP-Sprecher verwies am Mittwoch hingegen darauf, dass sich Schul- wie Behördenve­rtreter in den vergangene­n Monaten beiderseit­s „viel Mühe“gegeben hätten, es nicht zur Rücknahme der Genehmigun­g kommen zu lassen.

Ehe sich am Mittwoch die turbulente­n Entwicklun­gen an der FSA mit der Einreichun­g des Eilverfahr­ens zuspitzten, hatte es in den vergangene­n Tagen bei manchen Eltern bereits rumort. Peter Seifried etwa, in Tettnang lebender Vater einer Schülerin der Sekundarst­ufe, hatte am Montag in Sorge bei der Schule wegen der Lehrkräfte für das neue Schuljahr nachgefrag­t. In der Antwort wurden ihm die Namen jener FSA-Mitarbeite­r genannt, die seine Tochter ab Montag in einzelnen Fächern unterricht­en sollen. Darunter auch neue, auf die die FSA-Leitung in ihrem Rundschrei­ben vom Mittwoch verweist.

Die Antwort der Schule an Seifried liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor. Gleiches gilt für eine EMail des Staatliche­n Schulamts an diesen vom Dienstag. Seifried hatte dort wegen der Lehrkräfte­situation an der FSA nachgehakt und erfuhr aus Markdorf nach eigenen Angaben erstmals vom Widerruf der Genehmigun­gen. Außerdem heißt es in der Antwort: „Das Schulamt Markdorf hat die Schule auf ihre Informatio­nspflicht hingewiese­n und ist von der Annahme ausgegange­n, dass die Schulgemei­nschaft bzw. Sie als Eltern von den verantwort­lichen Personen (Schulträge­r, Schulleitu­ng) informiert worden sind.“

„Irgend etwas stimmt nicht“

Sätze wie diese lassen den Schluss zu, dass zumindest nicht alle Eltern über die sich zuspitzend­e Situation rund um die Freie Schule Bescheid wussten. Peter Seifried jedenfalls behauptet, dass diese Annahme bis zum Dienstag für alle gegolten habe. Er ist sauer: „Das ist für mein Kind eine Belastung – und für alle anderen auch. Irgend etwas stimmt an der Schule nicht.“

Das sehen Vorstand und Schulleitu­ng sicher anders. In dem Rundschrei­ben an die Eltern geben aber auch sie Einblicke in ihre Gefühlswel­t: „Wir sind gleich zu Beginn mit dieser hoffentlic­h schwersten Aufgabe unserer gesamten Amtszeit überfallen worden, und hoffen, es wird alles bald ruhiger und zuversicht­licher.“Zumindest in den nächsten Tagen dürfte das nicht der Fall sein.

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ARCHIVFOTO: BEE „Jetzt auch staatlich anerkannt.“Dieser lange plakativ an der Front des FSA-Gebäudes angebracht­e Satz hat derzeit für die Sekundarst­ufe keine Gültigkeit mehr. Deshalb gibt es viele Fragen zum möglichen Schulstart. Auch Juristen haben jetzt das Wort.

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