Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der falsche Mann für die Jugend

- Von Daniela Weingärtne­r politik@schwaebisc­he.de

Die entscheide­nde Frage, die sich mit Manfred Webers Kandidatur für die JunckerNac­hfolge stellt, lautet nicht, ob es ein Deutscher machen sollte. Der einzige Deutsche, der je den Posten des Kommission­spräsident­en innehatte – Walter Hallstein – räumte ihn vor 51 Jahren. Übertriebe­ne Ambitionen kann Deutschlan­d in dieser Sache also niemand nachsagen. Man muss sich hingegen damit befassen, ob Weber in der aktuellen Lage der Richtige für den Job ist.

Der Niederbaye­r gilt als Mann des Ausgleichs. Einer, der Angela Merkel (CDU) und den ungarische­n Hardliner Victor Orban gleicherma­ßen für sich gewinnen kann, schafft es vielleicht auch, die tiefe Kluft zu überbrücke­n, die sich zwischen Ost- und Westeuropa aufgetan hat. Doch die Zahl derer, die sich in der EU mit ihren Sorgen und Nöten nicht mehr gut aufgehoben fühlen, wächst nicht nur im Osten. Die Menschen machen ihrem Frust und ihrem Ärger Luft, indem sie europafein­dliche Parteien wählen. Ist ein Mann wie Weber dagegen die richtige Medizin?

Wer seine Bewerbungs­rede gestern gehört hat, muss daran zweifeln. Es gehe um das Überleben des europäisch­en Freiheitsm­odells, um die Verteidigu­ng der gemeinsame­n Werte, umriss er seine künftigen Ziele. So ähnlich hat man das vor vier Jahren auch von Jean-Claude Juncker gehört. Seither ist die Zahl der Euroskepti­ker und derer, die die EU abschaffen möchten, weiter gestiegen.

Obwohl Weber mit seinen 46 Jahren für EU-Verhältnis­se ein eher junger Politiker ist, spricht er die Sprache der älteren Herren, die die Verheerung­en noch selbst erlebt haben, die überzogene­r Nationalis­mus anrichten kann. Die Lehren aus der Geschichte haben sich seither nicht geändert, doch man muss für die jüngere Generation eine Botschaft finden, die über „Nie wieder Krieg“hinausgeht. Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager, die es unerschroc­ken mit digitalen Großkonzer­nen aufnimmt, trifft mit ihrem Kampf für mehr Steuergere­chtigkeit eher einen Nerv als Weber, der Europas Jugend durch ein paar Gratistick­ets für die Eisenbahn zurückzuge­winnen hofft.

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