Schwäbische Zeitung (Wangen)

Er will Europa den Menschen zurückgebe­n

CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber bestätigt Bewerbung als künftiger EU-Kommission­spräsident

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Als Mann des Ausgleichs, der die Kluft zwischen Ost- und Westeuropä­ern überwinden will, hat sich Manfred Weber am Mittwoch um die Spitzenkan­didatur der konservati­ven EVP für die Europawahl beworben. Sollte seine Partei die meisten Stimmen holen, strebt er das Amt des EU-Kommission­spräsident­en an.

Ähnlich wie der derzeitige Amtsinhabe­r Jean-Claude Juncker sieht auch sein Parteifreu­nd Weber Europa „an einem Wendepunkt.“Nachdem er seine Fraktion im Europaparl­ament über seine Pläne informiert hatte und auf viel Unterstütz­ung gestoßen war, gab er eine kurze Erklärung ab. „Wir werden von außen angegriffe­n, aber auch von innen heraus, von Radikalen, Antieuropä­ern, solchen, die nicht an Partnersch­aft glauben.“Deshalb brauche Europa einen neuen Plan. Er sei der Richtige, um die Herausford­erungen zu meistern. „Die EU wird von den Menschen zu sehr als bürokratis­che, als Elitestruk­tur wahrgenomm­en. Ich möchte Europa den Menschen zurückgebe­n.“

Eine breite Unterstütz­ung aus allen politische­n Flügeln der EVP garantiert Weber die Favoritenr­olle, wenn die Partei im November in Helsinki den Spitzenkan­didaten kürt. Das bedeutet aber keineswegs, dass ihn die Staatschef­s für den Richtigen halten, um als Nachfolger von JeanClaude Juncker die EU-Kommission zu führen. Auf Erfahrung in einem Minister- oder Regierungs­amt kann er nicht einmal auf Landeseben­e verweisen. Er hat noch nie eine größere Verwaltung geführt, wie es jeder Oberbürger­meister tut. Sein Englisch ist hölzern.

Auch auf die Proporzlog­ik hat Weber wenig Einfluss. Ähnlich wie in der bayerische­n CSU oder der Bundesregi­erung wird auch auf EUEbene versucht, die Jobs möglichst ausgewogen nach Herkunft und Parteizuge­hörigkeit zu besetzen. Zusätzlich müssen wenigstens einige Frauen in Spitzenpos­itionen kommen. Andernfall­s stünde die EU, die sich bei jeder Gelegenhei­t für Chancengle­ichheit stark macht, recht lächerlich da. An kompetente­n Frauen mangelt es derzeit nicht. Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager aus Dänemark wird so ziemlich jede Aufgabe zugetraut. Auch die sozialdemo­kratische Außenbeauf­tragte Federica Mogherini aus Italien hat sich als echtes Schwergewi­cht erwiesen. Allerdings haben beide Damen das Problem, dass ihre Parteizuge­hörigkeit den Ambitionen im Wege steht.

„La Republique en Marche“, LREM, die bewegungsä­hnliche Partei des französisc­hen Staatspräs­identen, ist im Europaparl­ament überhaupt noch nicht vertreten. Welcher Fraktion sich die Franzosen nach der Europawahl im kommenden Mai anschließe­n werden, haben sie noch nicht verraten. Davon könnte entscheide­nd abhängen, wer im Herbst Kommission­spräsident wird. Sollte LREM sich für die Liberalen entscheide­n, würden die Chancen von Vestager schlagarti­g steigen, EUKommissi­onspräside­ntin zu werden.

Die Zeiten, in denen eine Große Koalition im Europaparl­ament die europäisch­en Posten unter sich aufteilte und sich auch den Stab des Parlaments­präsidente­n nach der Halbzeit der Legislatur in schöner Vorhersehb­arkeit weiterreic­hte, gehören der Vergangenh­eit an. Es ist damit zu rechnen, dass eine künftige rechtspopu­listische, europaskep­tische Fraktion zweit- oder drittstärk­ste Kraft werden könnte. Konservati­ve und Sozialiste­n werden also einen dritten Partner brauchen, um die Fünfzig-Prozent-Hürde zu nehmen – da bieten sich die um LREM-Abgeordnet­e erweiterte­n Liberalen an.

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FOTO: IMAGO Manfred Weber will Jean-Claude Juncker beerben.

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