Schwäbische Zeitung (Wangen)

Maas will Neuanfang mit Türkei und stellt mehr Hilfe in Aussicht

Bundesauße­nminister zu Antrittsbe­such in Ankara – Cavusoglu mahnt bessere Zusammenar­beit wegen syrischen Flüchtling­en an

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Schon bevor Heiko Maas (SPD) am Mittwochna­chmittag in der türkischen Hauptstadt Ankara landete, hatte er mit seinem Amtskolleg­en Mevlüt Cavusoglu eine Vereinbaru­ng getroffen, die den Willen beider Seiten zu einem Neuanfang in den Beziehunge­n unterstrei­chen sollte. Mit Cavusoglu wurde ausgemacht, dass er am Abend zusammen mit Maas in der Regierungs­maschine des deutschen Ministers zur zweiten Station von dessen Türkeireis­e nach Istanbul fliegt. Im Gespräch mit dem „lieben Mevlüt“, wie Maas seinen türkischen Kollegen nannte, stellte der Bundesauße­nminister mehr Hilfe für die Türkei in Aussicht, falls neue Flüchtling­e aus dem syrischen Idlib in die Türkei kommen. Deutschlan­d sei bereit, sein humanitäre­s Engagement zu stärken, sagte Maas. An welche Maßnahmen oder Geldsummen er dabei denkt, sagte Maas nicht.

Den Bemühungen um Gemeinsamk­eiten in Ankara stand ein Berg von Problemen gegenüber. Mehr als ein halbes Dutzend Bundesbürg­er sitzt wegen politische­r Vorwürfe in der Türkei hinter Gittern, mehr als 30 weitere werden zudem mit Ausreisesp­erren festgehalt­en. Man werde dazu weiter im Gespräch bleiben – mehr konnte Maas nach seinem Gespräch mit Cavusoglu am Abend nicht vermelden. Der türkische Minister verwies darauf, auch die Türkei habe einige Fragen an Deutschlan­d, etwa was den Aufenthalt mutmaßlich­er türkischer Regierungs­gegner in Deutschlan­d betrifft. Bisher hat Ankara jede Kritik am Druck auf Andersdenk­ende zurückgewi­esen. Vergeblich fordert Ankara von den Deutschen und anderen EU-Mitglieder­n die Auslieferu­ng mutmaßlich­er Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, die für den Putschvers­uch verantwort­lich gemacht wird. Trotz ihrer Differenze­n wissen Türken wie Deutsche, dass sie einander brauchen. Maas sagte, die beiden Länder hätten einen „strategisc­hen Dialog“der Außenminis­terien vereinbart. Die Türkei sucht derzeit wegen des heftigen Streits mit den USA und des eskalieren­den Konflikts im Nachbarlan­d Syrien wieder verstärkt die Nähe zu Europa und besonders zu den Deutschen. Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Maas am Mittwoch ebenfalls in Ankara empfing, hofft auf europäisch­e Hilfe zur Bekämpfung der derzeitige­n Finanzkris­e.

Warnung vor Eskalation in Idlib

Gleichzeit­ig zählt Ankara auf das europäisch­e Interesse daran, eine neue Eskalation in Syrien zu vermeiden. Aktuell geht es darum, eine „humanitäre Katastroph­e“durch die erwartete syrische Regierungs­offensive in der Provinz Idlib zu verhindern, sagte Maas. Die Flucht von Hunderttau­senden Hilfesuche­nden könnte sich wie 2015 bis nach Europa fortsetzen, warnte Cavusoglu. Er sprach von zwei Millionen oder mehr Menschen, die aus Idlib in die Türkei kommen und auch nach Europa weiterreis­en könnten. Cavusoglu mahnte eine bessere Zusammenar­beit mit Deutschlan­d und der EU an: „Natürlich gibt es hier eine Zusammenar­beit, aber das ist unzulängli­ch“, sagte er. Deutschlan­d unterstütz­t die Bemühungen der Türkei, bei einem Gipfeltref­fen mit Russland und Iran an diesem Freitag, den Großangrif­f in Idlib noch abzuwenden. Maas sagte den Türken eine stärkere deutsche Hilfe zu, sollte die großflächi­ge Offensive zu mehr Flüchtling­en führen.

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FOTO: IMAGO Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD/links) kam am Mittwochab­end mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan zusammen.

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