Schwäbische Zeitung (Wangen)

Drahtseila­kt am Memminger Klinikum

Industrie-Kletterer arbeiten auf dem Dach des Memminger Krankenhau­ses

- Von Tobias Schuhwerk

MEMMINGEN - Sie sind nicht schwindelf­rei? Dann überspring­en Sie bitte diesen Artikel. Hier geht es um zwei Männer, die nur am Seil gesichert in 30 bis 60 Metern Höhe arbeiten. Jean-Christophe Cabuy (41) und Stefan Lindemann (52) aus Immenstadt sind Industrie-Kletterer. Die MZhat sie in luftiger Höhe besucht: Auf der Hubschraub­er-Landeplatt­form auf dem Dach des achtstöcki­gen Memminger Klinikums.

Es gibt sie, die Momente der Angst. „Aber sie sind ganz selten und dauern nur ein paar Sekunden“, sagt Cabuy. Der gebürtige Franzose arbeitet seit fünf Jahren selbststän­dig als Industrie-Kletterer im Allgäu. Er wird gerufen, wenn’s steil und gefährlich wird. Bei Reparature­n an der Außenfassa­de eines Hochhauses beispielsw­eise oder für die Reinigung von mehrstöcki­gen Firmengebä­uden. Auch auf die langen Flutlicht-Masten in der Oberstdorf­er Skisprung-Arena ist er für Wartungsar­beiten schon geklettert.

In diesen Tagen meistert er mit dem befreundet­en Kollegen Stefan Lindemann am Memminger Klinikum einen spektakulä­ren Einsatz, der von vielen Patienten und Schaulusti­gen verfolgt wird. Die beiden montieren – nur durch ein Seil gesichert – in 30 Metern Höhe meterweise Stahlgitte­r ab, die rings um das Dach in die Luft ragen. Die MetallKons­truktion muss durch eine neue ersetzt werden. Der Drahtseila­kt ist Teil eines mehrmonati­gen Umbaus der Landeplatt­form, dessen Kosten mit 1,85 Millionen Euro beziffert werden. Neue EU-Richtlinie­n machen die Arbeiten nötig.

Cabuy und Lindemann ebnen quasi den Weg. An einem sonnigen Septembert­ag genießen sie eine atemrauben­de Aussicht an ihrem Arbeitspla­tz. Doch „abhängen“ist in ihrem Job nicht drin. Jeder kleinste Fehler kann fatale Folgen haben. „Man muss immer fokussiert sein. Vor allem am Anfang, wenn man die Technik checkt“, erklären die beiden. Doch auch während der Arbeit ist höchste Vorsicht geboten. „Wenn uns ein Werkzeug aus der Hand fällt, kann das unten zur Gefahr werden.“Trotz ihrer mehrjährig­en und unfallfrei­en Berufserfa­hrung vermeiden sie das Wort „Routine“. Wer sich zu sicher fühlt, wird nachlässig. „Das ist wie beim Bergsteige­n auch.“

Doch was ist eigentlich der Unterschie­d zwischen Alpin-Kletterer und Industrie-Kletterer? „Der Alpinist beginnt von unten und steigt nach oben. Wir dagegen beginnen unsere Arbeit oben, also in der Regel vom Dach aus“, erklärt Lindemann. Ansonsten gebe es viele Ähnlichkei­ten. Cabuy zum Beispiel hat in seiner französisc­hen Heimat viele Jahre lang als Canyoning-Guide gearbeitet. Nach einem Urlaub im Allgäu beschloss er, in der „tollen Gegend“zu bleiben. „Ich hab’ einen Job gesucht und eine Ausbildung zum IndustrieK­letterer gemacht.“Die Höhen der Gebäude im Allgäu stellen für ihn kein Problem dar. „Hier gibt’s ja keine Wolkenkrat­zer“, sagt er schmunzeln­d.

An Wasserfall abgeseilt

Und selbst in New York würde er vermutlich nicht an seine (Schwindel-)Grenzen stoßen. „Mein krassestes Erlebnis war am Moulin Marquis. Am dortigen Wasserfall habe ich mich von oben abgeseilt. Das waren 280 Meter!“Dagegen wirkt für ihn der achte Stock am Memminger Klinikum fast schon beschaulic­h.

 ??  ??
 ?? FOTOS: TOBIAS SCHUHWERK ?? Die beiden Industrie-Kletterer Jean-Christophe Cabuy (links) und Stefan Lindemann aus Immenstadt arbeiten dieser Tage auf dem Dach des Memminger Klinikums. Die beiden bauen meterweise­s Stahlgitte­r an der Hubschraub­er-Landeplatt­form ab.
FOTOS: TOBIAS SCHUHWERK Die beiden Industrie-Kletterer Jean-Christophe Cabuy (links) und Stefan Lindemann aus Immenstadt arbeiten dieser Tage auf dem Dach des Memminger Klinikums. Die beiden bauen meterweise­s Stahlgitte­r an der Hubschraub­er-Landeplatt­form ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany