Abgemagert, ausgetrocknet, apathisch
Weil sie ein Reptil vernachlässigte, ist eine Kemptenerin verurteilt worden
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Lebensbedrohlich – so beschrieb eine Tierärztin den Zustand einer Bartagame, die Polizisten bei der Zwangsräumung einer Wohnung entdeckt haben. Das Reptil sei apathisch gewesen. Es musste vermutlich leiden, hatte Schmerzen. Das Kemptener Amtsgericht hat die mehrfach vorbestrafte Halterin nun wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu drei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Außerdem darf die 35-Jährige drei Jahre lang kein Tier halten. Kein Einzelfall, sagt Melanie Köberle, Leiterin des Tierheims in Kempten: Immer wieder nehmen sie und ihre Kollegen Tiere auf, deren Halter mit der Pflege überfordert sind. Sie appelliert an diejenigen, die sich ein Haustier anschaffen wollen, sich vorher umfassend zu informieren.
Die Angeklagte konnte ihre Tränen im Verlauf des Prozesses irgendwann nicht mehr zurückhalten. Eigentlich gehörte die Bartagame ihrem Freund, mit dem sie zusammenwohnte. Doch hauptsächlich kümmerte sie sich um das Reptil. „Ich kann nur sagen, dass es mir leid tut. Es war eine harte Zeit für mich“, sagte sie. Die Kemptenerin und ihr Freund wurden aus ihrer Wohnung geschmissen, derzeit lebt sie in einer Obdachlosenunterkunft. „Es tut mir leid, dass das Tier darunter gelitten hat. Das tut mir in der Seele weh.“
Die Polizei brachte das Tier ins Kemptener Tierheim. Amtstierärztin Dr. Gabriele Fuchs schilderte vor Gericht dessen Zustand. Das Reptil war abgemagert und ausgetrocknet. Die Knochen waren zu weich, was auf eine fehlende Versorgung mit UV-Licht hindeute – was diese Tiere aber unbedingt benötigen. Mittlerweile gehe es der Bartagame wieder gut, sagt Melanie Köberle. Das Kemptener Tierheim habe den Vierbeiner im August an einen Tierschutzverein vermittelt, der auf Reptilien spezialisiert ist. Im vergangenen halben Jahr gab es Köberle zufolge vier solcher oder ähnlicher Fälle. „Nicht selten hängen diese mit einem menschlichen Schicksal zusammen.“
In der Regel geht bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz eine Anzeige bei der Polizei oder dem Veterinäramt, das am Landratsamt Oberallgäu angesiedelt ist, ein. Erst einmal müsse dann geklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen Tierschutzverstoß handelt, sagt Sprecher Florian Vogel. Je nachdem, wie schwer der Fall ist, unterscheide man zwischen einer Ordnungswidrigkeit und einer Straftat.
Als Beispiel für eine Ordnungswidrigkeit nennt Vogel einen Hund, der kaum nach draußen kommt. Dann reiche oft ein Gespräch mit dem Halter. „So etwas kommt oft vor.“Die Angesprochenen reagierten meist einsichtig. Zudem gebe es Schulungen. Seltener hingegen seien schwere Fälle, die letztlich als Straftat vor Gericht landen. So weit komme es, wenn das Tier erheblich leide und Schmerzen habe.
Tierheimleiterin Melanie Köberle warnt davor, sich ein Haustier anzuschaffen, nur weil es gerade in Mode ist. „Viele merken erst später, dass dahinter viel Arbeit und Geld steckt.“Besonders bei Reptilien sei es sehr aufwendig, diese artgerecht zu halten. Deswegen rät sie, sich vor der Anschaffung eines Tieres zu informieren. Zum Beispiel beim Tierschutzverein oder einer Reptilienauffangstation. „Man kann sich dann auch gleich im Tierheim umschauen, ob es dort ein passendes Tier gibt.“
Bevor dort ein Tier vermittelt wird, steht eine Hauskontrolle an, sagt Maria-Anna Peter-Sigg, Vorsitzende des Tierschutzvereins Kempten. Dabei werde zum Beispiel darauf geachtet, ob genügend Platz für das Tier vorhanden ist. Es komme nicht sehr oft, „aber schon ab und zu“vor, dass die Mitarbeiter eine Absage erteilen.