„Ema’s Kinderparadies“macht weiter
In Emas Kinderparadies geht es nach den Schließungsgedanken Anfang des Jahres diese Woche weiter
Nach den Schließungsgedanken Anfang des Jahres geht es diese Woche weiter.
WANGEN - Die Räumlichkeiten sind gerichtet. Seit dieser Woche toben wieder Kinder durch die Zimmer. Neue Regelungen mit den Eltern, ein höherer Zuschuss der Stadt und eine in Aussicht gestellte Erhöhung des Stundensatzes haben Margret Endraß, Leiterin der privaten Großtagespflegestelle in NiederwangenMoser, veranlasst, „erst einmal“weiterzumachen. „Noch einmal kämpfe ich aber nicht mehr“, sagt Endraß, die selbst im vergangenen Jahr teilweise noch nicht einmal einen Euro pro Stunde verdiente.
Genau zehn Jahre ist es her, dass Margret Endraß in NiederwangenMoser ihr „Kinderparadies“in den eigenen, privaten Räumen eröffnet hat. Voller Enthusiasmus und Euphorie. Dass sie als ausgebildete Erzieherin damit „nicht reich“werden würde, musste ihr nicht erst vom Landesverband der Tagesmütter erklärt werden: „Das wusste ich selbst und war mir klar. Aber an so etwas wie jetzt hatte ich nicht gedacht.“Bis 2015 kam Endraß trotz ihrer hohen, pädagogischen Ansprüche und diversen Mitarbeitern finanziell klar. Dann kam der Mindestlohn für die Angestellten und ein anderes Abrechnungssystem der Jugendhilfe, das ab Herbst 2017 die Lage noch einmal verschärfte.
Zu Jahresbeginn 2018 initiierte Elternbeirätin Maike Renk eine Eingabe an den Petitionsausschuss des Landtags. Und Margret Endraß suchte Hilfe bei den Landtagsabgeordneten Raimund Haser (CDU) und Petra Krebs (Bündnis 90/Die Grünen). Politisch verändert hat sich bislang noch nichts. „Die Gespräche und Diskussionen auf politischer Ebene laufen“, sagt Endraß und hofft weiter auf die Erhöhung jener 5,50 Euro, die die Jugendhilfe je Kind und Stunde derzeit an das Kinderparadies als Großtagespflege und an alle Tagesmütter (und –väter) in Baden-Württemberg bezahlt. Benötigt werden laut Endraß aber etwa zwei Euro bis 2,50 Euro pro Stunde mehr, um als Selbstständige annähernd auf ein Erzieherinnengehalt zu kommen. Vorerst aber helfen andere Maßnahmen, um „einigermaßen über die Runden“zu kommen.
Stadt erhöht Mietkostenzuschuss
Die Stadt Wangen, für die das Kinderparadies ja auch Krippenplätze sichert, hat ihren Mietkostenzuschuss um 500 Euro erhöht. Die Eltern der betreuten Kinder sind bereit, monatlich 50 Euro mehr als Verwaltungspauschale zu bezahlen und mindestens 18 Stunden pro Woche und Kind zu buchen. Die Probleme, mit denen Endraß zu kämpfen hat, sind durch diese Veränderungen zwar vermindert, aber längst noch nicht aus der Welt: „Ich muss und möchte meinen Angestellten einen regelmäßigen Mindestlohn und Sozialabgaben bezahlen, bekomme aber in den so genannten Schließzeiten selbst kein Geld mehr.“Mit Schließzeiten sind nicht nur Ferienzeiten gemeint. „Alle Zeiten, in denen ich nicht direkt am Kind arbeite, fallen darunter“, sagt Endraß. Das heißt: Elterngespräche, Vorbereitungszeiten, Teambesprechungen, Sommerfeste oder anderes gelten allesamt als „unbezahltes Nebenher“, für das Endraß andererseits aber im Falle ihrer Angestellten wieder aufkommen muss. Der Mindestlohn steigt zum 1. Januar 2019 von derzeit 8,84 Euro auf dann 9,19 Euro und ein Jahr darauf auf 9,35 Euro.
„Ich bin kein Gegner des Mindestlohns, aber in meinem Fall bedeutet er bei gleichbleibenden Sätzen für die Betreuung jedes Mal ein Draufzahlgeschäft“, stellt Endraß fest. Hinzu kommt ein seit 2015 höherer, bürokratischer Aufwand. „Damals zahlte die wirtschaftliche Jugendhilfe Pauschalbeiträge mit Staffelungen bis zu so und so vielen Stunden.“Seit drei Jahren ist nach Kind und Woche abzurechnen – Krankheitszeiten, Ferien und anderes sind zu berücksichtigen: „Damit bleibt für uns noch weniger Spielraum und kaum eine zeitliche Ausgleichsmöglichkeit, da ab 2017 Wochenstunden auch nicht mehr schiebbar sind.“Schon 2015 wurde im Kinderparadies angefangen, zusätzlich ein Essensgeld zu erheben. Die 5,50 Euro Betreuungskosten von staatlicher Seite sind übrigens seither eingefroren und auf demselben Stand.
An mangelndem Interesse aus der Elternschaft kann die Großtagespflege im idyllischen Moser im Übrigen nicht klagen: Neun Kinder sind seit Montag wieder im Kinderparadies – sieben davon aus Wangen. „Ab 2019 sind dann sogar alle Kinder aus Wangen“, sagt Endraß. Allesamt sind die Kinder noch keine drei Jahre alt. Betreut werden sie von Margret Endraß als Leiterin des Kinderparadieses, zwei Erzieherinnen sowie einer Kinderpflegerin in Ausbildung. Von „Oma Endraß“werden sie bekocht, eine Raumpflegerin sorgt für Sauberkeit. 2008 war das Kinderparadies im Übrigen noch als eine Art „Familienhaus“für Kinder zwischen null und acht Jahre gedacht. Diese Pläne sind heute, wegen der gesetzlich begrenzten Zahl an möglichen „Sharing“-Plätzen und damit für Endraß und die Eltern wegen nicht zu finanzierender Rahmenbedingungen, aufgegeben und „Schnee von gestern“.
„Ich darf wieder da sein für sie“
Auch wenn Margret Endraß im vergangenen Jahr viel Frust ertragen musste („Es ist bitter zu sehen, wie mit Menschen umgegangen wird, die Kinder betreuen und erziehen. In jedem Discounter würden wir mehr verdienen“), freut sie sich nun wieder auf „ihre“Kinder: „Ich darf wieder da sein für sie, in und mit einem wunderbaren Team. Das ist wie ein Geschenk.“Dass Eltern und Stadtverwaltung zu ihr gehalten und sie in ihrem Kampf um überlebensnotwendiges Geld unterstützt haben, sieht sie auch als eine Art Verpflichtung. Kraft habe der Kampf dennoch gekostet – und tut es nach wie vor: „Vor allem deshalb, weil man nicht weiß: Was passiert jetzt denn endlich einmal und in welche Richtung geht es?“