Deutschland holt bei der Bildung auf
OECD sieht Fortschritte im Vergleich zur ersten Pisa-Studie – Lob für duales System
BERLIN - 17 Jahre nach dem Schock der ersten PISA-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) präsentiert sich Deutschlands Bildungssystem in verbessertem Zustand. Lob gab es im neuen OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick 2018“vor allem für das duale System: Junge Menschen mit einer Berufsausbildung haben inzwischen ebenso gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie Hochschulabsolventen. Außerdem besuchen laut der am Dienstag vorgestellten, internationalen Vergleichsstudie weit mehr unter dreijährige Kinder als früher eine Kita. Der Anteil junger Erwachsener ohne Gymnasial- oder vergleichbarem Abschluss sank von 15 auf 13 Prozent. Die Mehrheit der Jugendlichen mit Berufsausbildung oder Uniabschlüssen hat gute Berufschancen. Für junge Erwachsene mit einem Abschluss im mittleren Qualifikationsbereich ist die Beschäftigungsquote in den vergangenen zehn Jahren um sechs Punkte auf 83 Prozent angestiegen.
„Berufliche Bildung und akademische Bildung sind bei uns gleichwertige und zukunftsfähige Karrierealternativen“, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Die Studie bescheinige Deutschland ein „stabiles, leistungsfähiges und zukunftsfähiges Bildungssystem“. 2001 hatte die OECD mit der ersten Pisa-Studie aufgezeigt, dass die Leistungen deutscher Schüler unterdurchschnittlich und stark an die soziale Herkunft gekoppelt waren.
„Es gibt sowohl Licht als auch Schatten“, sagte indes Heino von Meyer, der Leiter des Berliner OECD-Büros, bei der Vorstellung am Dienstag. So liege die Betreuungsquote bei Müttern mit höherem Bildungsabschluss (49 Prozent) wesentlich höher als bei jenen ohne höheren Bildungsabschluss (37). Auch erreichen deutlich weniger Kinder aus sozial benachteiligten Milieus elementare Kenntnisse zum Beispiel in Mathematik. Der berufliche und soziale Status der Eltern bleibe der wichtigste Faktor für den Bildungsweg der Kinder. Jeder zehnte 15- bis 29-Jährige in Deutschland befindet sich laut der Studie weder in Beschäftigung noch in Schule oder Ausbildung. Bei jungen Zuwanderern ist es fast jeder vierte. Ein Grund dafür ist laut OECD auch die hohe Zahl von Flüchtlingen, die zuletzt nach Deutschland kamen.
BERLIN - 3,5 Milliarden Euro will der Bund den Ländern in dieser Legislaturperiode für eine gute digitale Infrastruktur in Schulen zuweisen. Dazu muss aus Sicht des Bundes das Grundgesetz geändert werden. „Nicht mit uns“sagt Baden-Württembergs Landesregierung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) trat zusammen mit seinem Vize Thomas Strobl (CDU) in Berlin vor die Bundespressekonferenz, um seinen Protest anzumelden.
Zwei Stunden vorher bei der Vorstellung des OECD-Bildungsberichts hatte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek noch einmal gesagt, sie werbe stark für die Änderung des Grundgesetzes, damit der Digitalpakt zügig komme. Dafür braucht sie sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit. Im Bundestag könnte die gegeben sein, da neben der Großen Koalition auch Linke, Grüne und FDP für eine Änderungen des Kooperationsverbotes sind.
Im Bundesrat aber ist es schwieriger. Der Präsident der Kultusministerkonferenz, der Thüringer Kultusminister Helmut Holter (Linke), beklagte bei der Vorstellung des OECD-Berichts mit Blick auf BadenWürttemberg : „Ein Land schert aus“. Holter wirbt für die entsprechende Änderung des Grundgesetzartikels 104 c, denn bislang darf der Bund nur finanzschwachen Kommunen helfen. Der Thüringer rief auf, schnell und „ohne Abkaufen und Basar“auch im Bundesrat den Digitalpakt umzusetzen. „Alle warten darauf “.
Auch Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte im Mai dieses Jahres bei der Verabschiedung des Kabinettsbeschlusses gesagt. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. 40 000 Schulen und rund elf Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland warten darauf.“Die Bildungsministerin ist der Auffassung, dass die Umformulierung des Artikels 104c die Voraussetzung für das erweiterte Engagement des Bundes in den Schulen sei.
Warnung vor süßem Gift
Winfried Kretschmann meint dagegen, solche Zuweisungen des Bundes seien ein „süßes Gift“, um mehr mitzubestimmen. So würden Zuständigkeiten vermengt. Irgendwann, so schimpft Kretschmann, seien die Länder dann „nur noch Verwaltungsprovinzen“. „Wir brauchen keine Programmmittel, wir brauchen Steuern“, so Kretschmann. Schließlich sei der Bund ja wohl selbst der Meinung, dass die Länder unterfinanziert seien, sonst würde er ja die Milliarden nicht anbieten.
Kretschmann meint, das gehe auch über den bestehenden Paragraphen 91c. In dem heißt es, dass Bund und Länder bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme zusammenwirken können.
Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) als früherer Vorsitzender des Vermittlungauschusses in Berlin warnt davor, die Ergebnisse der ersten Föderalismuskommission, in der einst die Trennung von Bund und Ländern bei der Bildung festgeklopft wurde, immer weiter zu verwässern. Das sei wie eine „Springprozession“, meint Strobl.
Theurer kritisiert Koalition
Gegenwind kam von DGB, SPD und FDP. Die Landesregierung denke „in den Kategorien eines Kleingärtners, der nicht möchte, dass jemand anderes seinen Acker zum Blühen bringt“, sagte die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf. Die Juso-Landesvorsitzende Stephanie Bernickel schimpft: „Ministerpräsident Winfried Kretschmann setzt die Zukunft unserer Kinder im Bereich Digitalisierung und eine zukunftsorientierte Bund-Länder-Kooperation in der Bildung aufs Spiel.“Und FDP-Landeschef Michael Theurer sagt: „Die Koalition verhindert mit der Ablehnung der Kooperation in der Bildungspolitik aus Kompetenz-Egoismus dringend benötigte Mehrinvestitionen in Köpfe, Schulgebäude und Technik.“
Theurer erinnert überdies daran, dass sich Kretschmann mit seiner Positionierung auch gegen seine eigene Bundestagsfraktion stelle, die erst Ende August in einem gemeinsamen Brief mit der FDP-Bundestagsfraktion an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Ausweitung der Kooperation plädieren.
Verzögert Baden-Württemberg nun den Digitalpakt? „Diesen Schuh ziehe ich mir nicht an“, sagt Winfried Kretschmann. Man könne den Digitalpakt auch ohne die Grundgesetzänderung schließen. Er hofft auf weitere Mitstreiter bei der Kultusministerkonferenz im Oktober.