Wie die Polizei auf die Spur des Brandstifters kam
Zweiter Prozesstag am Landgericht Ravensburg enthüllt interessante Details über die Verfassung des Täters
RAVENSBURG - Hat der Brandstifter von Sankt Jodok seine Tat doch geplant? Oder war das Feuer wirklich eher aus Versehen ausgebrochen, wie es der 40-Jährige bei seinem überraschenden Geständnis am ersten Prozesstag behauptet hatte? Das ist eine der zentralen Fragen bei der Verhandlung am Landgericht Ravensburg. Am zweiten Prozesstag gab es interessante Einblicke in die Arbeit der Kripo und in die Gemütsverfassung des Angeklagten kurz vor und nach der Tat.
Zwei schwere Fehler, wenn man es aus Sicht des Angeklagten betrachtet, haben letztendlich dazu geführt, dass der 40-jährige Arbeitslose von der Polizei geschnappt wurde. Fehler Nummer ein: Er ließ eine leere Flasche Schnaps mit DNA-Spuren in Sankt Jodok zurück, nachdem er das Foto seiner Ex-Freundin angezündet und auf die Couch geworfen hatte, das dann den Großbrand mit zwei Millionen Euro Sachschaden anrichtete. Fehler Nummer zwei: Vier Tage später schrieb er vom Berufsinformationszentrum (BIZ) der Arbeitsagentur eine Mail ans Landeskriminalamt und drohte an, dass noch weitere Kirchen brennen würden. Da an dem betreffenden Tag nur fünf Menschen die Computer im BIZ genutzt hatten und diese sich zuvor unter Angabe ihres Namens einen Login-Code holen müssen, fiel der Verdacht auf den 40-Jährigen.
Die Polizei hörte später sein Telefon ab und überprüfte, welche Handys zu den Tatzeiten in den jeweiligen Funkzellen der Mobilnetzbetreiber angemeldet waren. Also am Samstagmorgen in Schlier, wo der Mann an einer Wand mit Fotos gezündelt hatte, ohne großen Schaden anzurichten, und am Mittag in der Innenstadt beim Sankt-Jodok-Brand. Bei der späteren Hausdurchsuchung in seiner Wohnung habe sich der Angeklagte „sehr ruhig und passiv, beinahe demütig“verhalten, sagte ein Polizeibeamter vor Gericht aus. „So als habe er schon mit seiner Verhaftung gerechnet.“
Um die Gemütsverfassung des Täters zum Tatzeitpunkt zu verdeutlichen, ließ Richter Franz Bernhard Sprachnachrichten vorspielen, die der Angeklagte seinem besten Freund per Whatsapp geschickt hatte – kurz vor und nach dem Brand. Daraus könnte man schließen, dass der 17fach Vorbestrafte wegen des Verlusts von Freundin, Job und bald der Wohnung so verzweifelt war, dass er zurück ins Gefängnis wollte, wo er schon so viele Jahre seines Lebens verbracht hatte. „Mich rettet nur noch der Knast. Ich werd’ noch irgendne Scheiße machen, dass es knallt“, heißt es da unter anderem. Offenbar wollte der stark alkoholkranke Mann gerne von seiner Sucht loskommen.
In anderen Nachrichten jammert er über seine erfolglosen Versuche, Frauen anzusprechen. Auf Nachfrage des Richters gibt der Angeklagte zu, dass er das immer wieder auf Facebook und im realen Leben versucht habe. „Ich hab das bestimmt mit tausend Frauen so gemacht und ein paar tausend Absagen gekriegt“, meint er. Ganz besonders erzürnt hat es ihn offenbar, deutsche Frauen mit schwarzen Männern zu sehen, zum Beispiel im Bus. Einige seiner Nachrichten sind vollgespickt mit hasserfüllten Tiraden gegen Flüchtlinge, die er im typischen Rechtsradikalenjargon „Asylanten“, „Bimbos“und noch Schlimmeres nennt. „Wenn ich ein Messer hätte, würde ich euch abstechen“, sagt er an einer Stelle.
Auch am 10. März schickte er mehrere Sprachnachrichten an seinen Freund. Morgens sagt er, er wolle „etwas gegen Ravensburg machen, aber da braucht man halt Eier dazu, Mumm“. Nachdem er das Feuer in Sankt Jodok gelegt hat – ob nun versehentlich oder absichtlich – ist er von dem Thema fasziniert. Drei Stunden lang verfolgt er die Löscharbeiten und den ganzen Rummel in der Innenstadt. Er versucht, seinen Freund zu bewegen, dazuzukommen und auf eigene Faust zu ermitteln, wer der Täter sei. Im Verdacht hat er entweder „irgendwelche Penner“aus dem Württemberger Hof oder „Drecksschweine, wo gegen unser Christentum was vorhaben – dank Angela Merkel“.
Sein Freund kommt ihn schließlich Stunden später gutmütig abholen. Er sagt vor Gericht aus, dass er zunehmend genervt von dem 40-Jährigen war, weil dieser ihn ständig anrief, anschrieb, als Chauffeur missbrauchte oder sogar bedrohte. Seit er wieder einen Job hatte, wollte er Distanz aufbauen, nicht mehr fast täglich zusammen um die Häuser ziehen, sondern lieber mit seiner Freundin zusammen sein. Auch vor ihm habe der Täter angekündigt, eine Straftat begehen zu wollen. „Er hat gesagt: ,Es wird was passieren, dass es knallt.’ Ich habe gedacht, dass er jemanden zusammenschlägt oder so. Dass eine Kirche brennt, hätte ich nie gedacht.“Und dann sagt er noch einen Satz über den Täter, der entscheidend sein könnte für das Strafmaß: „So besoffen war er nicht an dem Tag.“
Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.