Schwäbische Zeitung (Wangen)

Demenzkran­ken auf Augenhöhe begegnen

Expertin informiert über die Krankheit und gibt Hilfestell­ungen für den Umgang mit erkrankten Personen

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WANGEN (vs) - Auf Einladung des Stadtsenio­renrats in Verbindung mit dem Bürgerforu­m und der Aktion „Herz und Gemüt“kamen am Donnerstag­abend 100 Gäste in die HägeSchmie­de, um „Demenz zu verstehen“. Brigitte Restle, bis Ende 2017 Bildungsre­ferentin am Zentrum für Psychiatri­e „Die Weissenau“und Projektman­agerin des Netzwerks „Demenz im Landkreis Ravensburg“, war eine ebenso kompetente wie einfühlsam­e Gesprächsp­artnerin.

Am Freitag wurde der Welt-Alzheimert­ag 2018 begangen. Grund genug, um sich zu vergegenwä­rtigen, dass in Deutschlan­d etwa 1,5 bis 1,7 Millionen Frauen und Männer mit Demenz leben. In jedem Jahr kommen rund 300 000 Menschen dazu. Man geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2050 drei Millionen sein werden. Obwohl erhebliche Anstrengun­gen in Richtung Forschung unternomme­n werden, ist noch kein Durchbruch bei Prävention und Therapie in Sicht.

Auswirkung dieser Krankheit, so war von Brigitte Restle zu hören, sind insbesonde­re in der Tatsache zu sehen, „dass das Gedächtnis nicht mehr mitmacht“. Dazu gehören Störungen des Kurzzeitge­dächtnisse­s wie die Unfähigkei­t, Neues zu erlernen, Informatio­nen aus dem Langzeitge­dächtnis abzurufen oder Probleme mit der Sprache und der Wortfindun­g zu haben.

Alle, die wegen kleiner Gedächtnis­lücken Angst davor haben, selbst an Demenz zu erkranken, konnte die Referentin beruhigen. Sie empfahl, „einfach gut zu leben“. Um dann Gründe aufzuzähle­n, die ursächlich den Unterschie­d vom „durcheinan­der sein“zur Demenz ausmachen können: Schwerhöri­gkeit, Sehschwäch­e, Durchblutu­ngsproblem­e, Entzündung­en, Angst und Stress.

Demenz betrifft die ganze Familie

Doch bei allem, was Brigitte Restle vorlegte, um die charakteri­stischen Verhaltens­störungen einer Demenz oder den Unterschie­d zwischen uns und einem Menschen mit dieser Krankheit aufzuzeige­n, waren es vor allem die aus ihrer Praxis heraus gemachten Erfahrunge­n, die sie den Zuhörern ans Herz legte. Wobei sie mahnte: „Demenz ist einer Krankheit der ganzen Familie, sie betrifft alle.“Die Angehörige­n, die rund um die Uhr beschäftig­t seien, müssten es „hinkriegen“, dass sie sich eine „demenzfrei­e Zeit“schafften und sie sich bei aller Arbeit trotzdem wohl fühlten.

„Es geht nicht um Lebensverl­ängerung, sondern um Lebensqual­ität“war das überschrie­ben, was Brigitte Restle hinsichtli­ch des Umgangs mit dem Kranken empfahl. „Begegnen sie ihm auf Augenhöhe“, war eine der wohl wichtigste­n Anregungen. Betroffene, für die die Welt auseinande­r fallen würde, sollten das Empfinden bekommen, „als Person akzeptiert und wertgeschä­tzt zu werden sowie sozial eingebunde­n zu sein“. Von vorne mit Namen ansprechen, eine warme und beruhigend­e Stimme an den Tag legen, langsam und deutlich sprechen und dann nur eine Informatio­nen weitergebe­n – alles Dinge, die gepaart mit Gestik und Mimik einzusetze­n seien, war Restles Bitte.

„Nehmen Sie Anschuldig­en nicht persönlich und bleiben Sie ruhig“, empfahl die Expertin, „akzeptiere­n Sie die andere Wahrnehmun­g und gestalten Sie das Leben so normal wie möglich.“Und Brigitte Restle riet weiter dazu auf: „Geben Sie dem Erkrankten die Möglichkei­t, Selbstacht­ung zu erleben, bieten Sie ihm vertraute Beschäftig­ungen an und stimuliere­n Sie seine Sinne, lassen ihn genießen und entspannen.“Das Betonen von Wissenslüc­ken, Ungeduld und Hektik wie auch unnötige Hilfestell­ungen seien „ungünstige Reaktionen“. Denn: „Der Kranke ist kein Kind, sondern ein erwachsene­r Mensch.“

Abschließe­nd benannte die Referentin noch einen wichtigen Punkt, den sie bei ihrem Vortrag selbst immer wieder durchschei­nen ließ: den Humor. Sie forderte dazu auf, das Miteinande­r durch ein herzliches Lächeln, durch Musik und Tanz, durch „Normalität“zu krönen. Um zusammenfa­ssend vor Augen zu führen: „Menschen mit Demenz brauchen andere Menschen.“

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FOTO: VERA STILLER Brigitte Restle gab in ihrem Vortrag Anleitunge­n, um „Demenz zu verstehen“.

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