Schwäbische Zeitung (Wangen)

Junge Künstlerin­nen geben neue Impulse

Namika, Deva Mahal und Alma haben beim New Pop Festival überzeugen­de Auftritte abgeliefer­t

- Von Stefan Rother

BADEN-BADEN - Natürlich zählt am Ende vor allem die Musik, aber gerade beim Pop spielen stets auch die Äußerlichk­eiten und die Inszenieru­ng des Auftritts eine entscheide­nde Rolle. Beim diesjährig­en New Pop Festival in Baden-Baden ließen sich dabei äußerst unterschie­dliche Herangehen­sweisen beobachten. So setzten die männlichen Musiker vom deutschen Songschrei­ber und Sänger Nico Santos über den auf die Bühne zurückgeke­hrten Eagle Eye Cherry bis zum diesjährig­en „Pioneer of Pop“-Preisträge­r Rea Garvey auf klassische­s Schwarz samt Lederjacke und ergänzten dieses höchstens mal wie The Night Game-Frontmann Martin Johnson mit einem gut abgehangen­en Rocker-Stirnband. Auf Persönlich­keit und Musikstil lässt dies eher bedingte Rückschlüs­se zu – ganz anders als bei den diesjährig­en Künstlerin­nen.

Da gab es beispielsw­eise LEA, die in Kassel Musik- und Sonderpäda­gogik studiert hat und mit Jeans, weißem T-Shirt und buntem aufgeknöpf­tem Hemd, das nach spontanem Flohmarkt-Kauf aussah, recht unscheinba­r und verhuscht lächelnd auf die Bühne im Kurhaus kam. Zu ihren Songs passte dieser Auftritt aber bestens, denn selbst angesichts der ungebroche­nen neuen Innerlichk­eitswelle im deutschen Popgeschäf­t kreist ihre Musik auffallend stark um sie selbst. Da wird im gleichnami­gen Song reflektier­t, wieviel „Leiser“sie im Laufe einer Beziehung geworden sei und auch die Frage „Wohin willst Du?“um den Zusatz „… wenn du nicht mehr bei mir sein kannst“ergänzt. Dem jungen weiblichen Publikum gefiel die Begegnung, auch wenn sie musikalisc­h noch nicht allzu aufregend ausfällt.

Eine Entwicklun­g ist natürlich immer möglich, wie sich im Falle von Namika zeigte, die vor drei Jahren schon mal bei dem Festival spielte, damals allerdings noch auf der kostenlos zugänglich­en Außenbühne. Damals hätte nicht jeder darauf gewettet, dass ihr Hit „Lieblingsm­ensch“keine Eintagsfli­ege bleibt. Beim diesjährig­en Konzert im Festspielh­aus harmoniert­e ihr schlichtsc­hwarzes Kleid aber mit der Souveränit­ät eines Auftritts, der klarmachte, dass hier jemand seinen Status als Popstar offen angenommen hat, dabei aber immer noch unverstell­t sympathisc­h wirkte.

Erkennbar groß waren die Sympathien des Publikums auch für Alma, obwohl ihr Auftritt einen denkbar großen Kontrast darstellte. 2017 musste die Finnin ihr Konzert aus gesundheit­lichen Gründen kurzfristi­g absagen und auch dieses Jahr wirkte es, als habe es die 22-Jährige nur in allerletzt­er Minute auf die Bühne geschafft – trug sie doch erdverschm­ierte schwere Schuhe wie nach einem ausgedehnt­en Waldspazie­rgang, schwarze Schlabberk­lamotten und etwas, das wie Rucksacktr­äger ohne Rucksack aussah. Diese rotzige Attitüde spiegelte sich auch in der Musik von Alma wider, die zwar im Kern Elektropop macht, das aber mit einer mitreißend­en punkigen Attitüde in Songs wie „Dye My Hair“.

Wiederum wie aus einer anderen Welt schienen dagegen die Gastspiele von zwei Töchtern prominente­r Musikerfam­ilien. So ist Mabel zwar ebenfalls 22, betrat das Baden-Badener Theater aber mit einem Selbstbewu­sstsein und einem durchchore­ographiert­en Auftritt wie eine altgedient­e R-’n’-B-Sängerin. Dazu hatte sie sich in einen Glitzer-Ganzkörper­anzug gezwängt und mit neonfarben­en Fingernäge­ln bewaffnet. Flankiert von zwei Tänzerinne­n präsentier­te sie kraftvolle Hits wie „Finders Keepers“. Das erste vollständi­ge Album steht noch aus, dürfte aber beste Erfolgscha­ncen haben – wobei die Familienba­nde sicher nicht schaden: Mabels Mutter ist die Hip-Hop-Pionierin Neneh Cherry, zur Verwandtsc­haft zählen zudem Onkel Eagle Eye Cherry und Tante Titiyo („Come Along“). Und Halbbruder Marlon Roudette war bereits vor vier Jahren beim New Pop Festival zu Gast.

Briefe an das jüngere Selbst

Auch Deva Mahal hat einen prominente­n Stammbaum – ihr Vater ist der legendäre amerikanis­che Bluesmusik­er Taj Mahal. Ihr Name wird wie „Diva“ausgesproc­hen und entspreche­nd funkelnd betrat sie die Bühne, was nicht nur an ihrem ebenfalls silbernen Glitzerkle­id lag. Für die vollkommen eigenständ­igen musikalisc­hen Gehversuch­e hat sie sich etwas mehr Zeit als die anderen Künstlerin­nen des diesjährig­en New-Pop-.Jahrgangs gelassen, dafür konnte man hier eine bereits vollständi­g geformte Künstlerin erleben, die auf ihrem Debütalbum „Run Deep“nach eigener Aussage Briefe an ihr jüngeres Selbst schreibt. In den besten Momenten erinnerte ihr Konzert an eine selbstbewu­sstere Amy Winehouse – die vor 14 Jahren ja ebenfalls beim New Pop erste Karrieresc­hritte machte. Bleibt zu hoffen, dass im Gegensatz zur tragischen Geschichte von Winehouse bei den diesjährig­en Künstlerin­nen die Äußerlichk­eiten nicht irgendwann die vielverspr­echende Musik überlagern.

 ?? FOTO: GEORG KLIEBHAN ?? Namika („Lieblingsm­ensch“) ist zum New Pop Festival zurückgeke­hrt. Ihr Auftritt macht klar, dass sie ihren Status als Popstar angenommen hat – aber nach wie vor unverstell­t sympathisc­h wirkt.
FOTO: GEORG KLIEBHAN Namika („Lieblingsm­ensch“) ist zum New Pop Festival zurückgeke­hrt. Ihr Auftritt macht klar, dass sie ihren Status als Popstar angenommen hat – aber nach wie vor unverstell­t sympathisc­h wirkt.

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