Bewundernde Blicke und Buben mit Blasen
Rund 200 Tiere ziehen vom Hochgrat nach Maierhöfen – Zwei Neunjährige laufen mit
MAIERHÖFEN - Erst einmal raus aus den Wanderschuhen: Jakob Heim und Toni Ettensberger sitzen auf der Wiese direkt am Scheidplatz und lösen die Schuhbändel. Rund herum tummeln sich zahlreiche Menschen, um einen Blick auf die rund 200 Tiere und vor allem die vier geschmückten Kranzrinder zu erhaschen. Das alles interessiert die beiden neunjährigen Buben beim Viehscheid in Maierhöfen gerade überhaupt nicht. Sie sind fünf Stunden gemeinsam mit den Tieren, Hirten und Treibern die 30 Kilometer vom Hochgrat nach Maierhöfen gelaufen. Jetzt untersuchen sie ihre schmerzenden Füße, bevor sie in die wesentlich bequemeren Turnschuhe schlüpfen. „Ich hab mir schon ein paar Blasen gelaufen“, stellt Jakob fest. Trotzdem würden er und sein Freund Toni sofort wieder mitlaufen. „Bis zur Hälfte ging es, dann wurde es richtig anstrengend“, findet Toni.
Richtig früh aufgestanden
Um an diesem Tag dabei zu sein, sind die zwei Buben richtig früh aufgestanden. Um 5 Uhr klingelte bei Jakob der Wecker. Er ist der Enkel von Waltraud und Reinhard Künzler, die sich um das Vieh auf der Alpe Schilpere kümmern. Knapp zwei Stunden später zogen die Buben mit den Tieren los. „Wir hatten richtig Glück mit dem Wetter, die ersten paar Minuten hat es geregnet, dann war es trocken“, sagt Anton Ettensberger aus Rettenberg. Er ist der Vater von Toni und hat die zwei Buben auf dem Weg begleitet. Ihn haben vor allem die Tiere motiviert.
„Wenn man sieht, dass sie immer weiter wollen, dann fällt es einem selbst wieder leichter. Man geht den Weg wirklich zusammen mit dem Vieh.“Nur das letzte Stück dabei sind Waltraud und Reinhard Künzler. Bei ihnen verbringen die jüngsten Rinder den Sommer und so ist auch das Kranzrind bei seinem großen Auftritt kein Jahr alt. „Die ganze Strecke mitzulaufen, wäre für es noch zu viel“, weiß Waltraud Künzler. Daher schließen sie sich dem Zug kurz nach der Argentalbrücke an. Die 33 Tiere bleiben noch bis Anfang Oktober am Berg. „Vorausgesetzt, das Wetter hält, wenn es schneit, werden sie natürlich früher abgeholt“, sagt Reinhard Künzler. Den siebten Sommer hat er nun auf der Alpe verbracht, kräftige Unterstützung bekommt er regelmäßig von seinen Enkeln. So etwa von der achtjährigen Antonia. „Ich füttere die Hasen und die Küken“, erzählt das Mädchen stolz.
Schon in Schönau stehen die ersten Menschen am Straßenrand, als der Zug Maierhöfen erreicht, ist kaum mehr ein Durchkommen, so viele Erwachsene und Kinder drängen sich auf den Gehwegen und an den Straßenrändern. Kaum sind die scheppernden Schellen der Schumpen zu hören, werden rechts und links von der Straße die Köpfe gereckt und die Handys gezückt. Viele herausgeputzt in Tracht, andere nutzen das Fest in der Argentalgemeinde, um mit reichlich Bier den Abschied eines Junggesellen zu feiern. Einheimische, aber auch sehr viele Weitgereiste sind unter den Besuchern. So etwa Manuela Treier aus Oberkirch in Baden-Württemberg. Zusammen mit ihren zwölfjährigen Drillingen Anne, Lia und Aaron ist sie das erste Mal auf einem Viehscheid. „Der Schmuck der Tiere ist sehr schön. Das ist bestimmt jede Menge Arbeit“, sagt sie bewundernd.
Wie bei der Fasnacht
Überrascht ist sie von der Größe des Festes und den vielen Tieren. Dass die Alpen mit Schildern angekündigt werden, erinnert sie an die Fasnacht. „Dort gibt es auch solche Schilder für die einzelnen Gruppen.“Auch die anderen Besucher sind von den aufwendig geschmückten Kranzrindern begeistert. Um die Tiere bildet sich eine große Traube von Menschen. „Bitte vorsichtig, sie ist ein bisschen nervös“, gibt Stephi Hartmann den Neugierigen als Hinweis, die sich direkt neben den Tieren ablichten lassen.
Rund um die Feierlichkeiten beschäftigt die Hirten und Landwirte jedoch auch das Thema Wolf. „Das wird in zwei Jahren ein Problem sein“, vermutet Herbert Fink, Hirte auf der Unterlauchalpe. Auch Alpmeister Herbert Mader sieht die Entwicklung mit Sorge. „Es wurde einer am Hochhäderich gesehen, das ist nicht weit weg.“Erst kürzlich war er auf einer Veranstaltung zu diesem Thema. „Es gibt über 1000 registrierte Tiere. Dass es so akut ist, hätte ich nicht gedacht.“
Nach und nach zieht es die Besucher von den Tieren weiter in Richtung Festzelt und zu den zahlreichen Marktständen. Und auch Jakob und Toni haben sich von ihrem langen Marsch wieder etwas erholt. „Komm, lass uns zur Schiffschaukel“, ruft Toni – und schon flitzen die beiden davon.