Schwäbische Zeitung (Wangen)

Hoffnungsl­os optimistis­ch

Was Sebastian Vettel jetzt noch Mut macht für den WM-Kampf in der Formel 1

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SINGAPUR (SID/dpa) - Sebastian Vettel hatte soeben fast alles verloren in Singapur. Doch darüber reden wollte er nicht. Er machte lieber seine eigene Rechnung auf, wie es doch noch klappen könnte mit seinem fünften WM-Gewinn in der Formel 1. „Es ist doch ganz klar“, sagte der Ferrari-Pilot aus Heppenheim: „Wenn wir ab jetzt jedes Rennen gewinnen, dann sind wir Weltmeiste­r. So müssen wir denken, Aufstecken ist keine Option.“

Vettel wollte nach seinem dritten Platz beim Nachtrenne­n und dem nächsten Sieg für Lewis Hamilton irgendwie für Optimismus sorgen im Ferrari-Lager – doch angesichts von 40 Punkten Rückstand auf den Engländer ist eine Siegesseri­e in den verbleiben­den sechs Rennen für Vettel quasi alternativ­los – wirkt aus verschiede­nen Gründen aber schier unmöglich. „Ferrari ist nicht mehr zu erkennen. Singapur scheint die Endstation von Vettel und Ferrari in dieser Meistersch­aft zu sein“, mutmaßte die italienisc­he Sporttages­zeitung „Corriere dello Sport“.

Zwar ist der Ferrari bärenstark, doch auch in Singapur war das Gebilde aus Vettel und dem Rennstall zu instabil für den großen Wurf, beide Seiten machen in dieser Saison teils rätselhaft­e Fehler. „Wo ist das Auto geblieben, das das schnellste dieser WM schien?“, fragte „La Repubblica“. Vettel hatte schon vor dem Rennwochen­ende geunkt: „Wir sind selbst unser größter Gegner.“Es waren prophetisc­he Worte.

Denn eine seltsame Strategie der Ferrari-Box nahm Vettel jede Chance auf den Sieg, er musste zu früh an die Box und bekam zu weiche Reifen. Nicht zum ersten Mal hatte Ferrari damit Punkte für Vettel verspielt: In Spanien, Österreich, Deutschlan­d und Italien unterliefe­n den Roten ganz unterschie­dliche Fehler, die alle zum mittlerwei­le dramatisch großen Rückstand beitrugen.

Hamilton im Weltmeiste­rmodus

Dass Vettel angesichts falscher Entscheidu­ngen langsam verzweifel­t, legen zunehmend genervte Funksprüch­e nicht nur aus Singapur nahe („Ich hatte keine Chance, wir waren schon wieder zu spät!“, „Ist sonst noch jemand in der Nähe, von dem ich wissen sollte, bevor es zu spät ist?“). Er vermied es aber, im Nachhinein dem Team die Schuld zu geben. Vielleicht auch, weil er selbst schon zu oft unglücklic­h agierte. Ausritte und Unfälle in Aserbaidsc­han, Frankreich, Deutschlan­d und Italien gehören eben auch zum Bild dieser Saison der vergebenen Chancen.

Hamilton und Mercedes sind dagegen wieder im Weltmeiste­rmodus unterwegs. Anderersei­ts hat Vettel Erfahrung mit Aufholjagd­en. Schon zweimal bewies er im Titelrenne­n enorme Comeback-Qualitäten. 2010 lag Vettel im Red Bull ebenfalls sechs Grand Prix vor Saisonende weit hinter Hamilton. Damals betrug sein Rückstand nach 13 von 19 Rennen aber nur 31 Punkte auf den damaligen McLaren-Piloten, neun weniger als jetzt. Vettel wurde damals erstmals Weltmeiste­r. 2012 fehlten Vettel nach elf von 20 Rennen sogar 42 Punkte auf den damaligen Ferrari-Piloten Fernando Alonso. Am Ende wurde wieder Vettel Weltmeiste­r.

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FOTO: IMAGO Der Moment der Entscheidu­ng: Ferrari überrascht an der Box mit einer seltsamen Reifenwahl, Sebastian Vettel fährt hinterher.

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