Die Spuren eines Künstlerlebens
Kemptener Kunsthalle zeigt das Leben und Schaffen von Jan Hendrik Pelz – Im Alter wurde der Maler Schweinezüchter
KEMPTEN - Die letzten 25 Jahre seines Lebens verbrachte der Künstler als Schweinezüchter. Ab und zu malte Jan Hendrik Pelz schon noch. Etwa Schweine. Deshalb hängt in der Kemptener Kunsthalle, wo eine Retrospektive mit 52 seiner Werke zu sehen ist, auch ein kleines Gemälde mit dem Titel „Blick in den Stall“. Leicht abstrahiert, aber dennoch deutlich glänzen die Hinterteile zweier Schweine. Quasi der Schlusspunkt im Schaffen eines gewichtigeren deutschen Künstlers – und zugleich die Abrundung einer Ausstellung, die den Besuchern nicht nur Jan Hendrik Pelz (1884 – 1984) näherbringt, sondern zugleich eine kleine Reise durch die deutsche (Kunst-) Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist.
Dass ein Querschnitt des Schaffens von Pelz, der einst am Bodensee, in Stuttgart und zuletzt bei Aalen lebte, in Kempten zu sehen ist, hat einen einfachen Grund: Er war mit dem Maler Franz Xaver Unterseher (1888 – 1954) befreundet, der ab 1924 in Kempten zu Hause war. Pelz kam immer wieder ins Allgäu, und er malte auch Bilder mit Bezug zu Kempten und seiner Geschichte. Deshalb öffnete das Kulturamt der Stadt gerne die Türen der Kunsthalle, als JanHendrik Pelz (34), der Urenkel gleichen Namens (aber mit Bindestrich) anfragte. Er ist genau in jenem Jahr geboren, als sein Vorfahre starb. Offensichtlich liegt bildnerische Kreativität in den Genen: Auch Jan-Hendrik Pelz ist Künstler; er hat sich innerhalb weniger Jahre mit Konzeptund Videokunst sowie Malerei einen Namen gemacht.
Dass der Künstler als Kurator für eine Ausstellung für einen Urgroßvater tätig werden könnte, war vor vier Jahren kaum denkbar. Denn bis dahin galt ein Großteil des Pelz-OEuvres als verschollen. Ein Brand im Atelier 1943 hatte einen Großteil des Werkes zerstört. 2014 entdeckten die Nachkommen aber ein paar Dutzend Gemälde und Zeichnungen auf einem Dachboden; ein Gutteil davon ist nun in Kempten zu sehen. Wie sie einzuschätzen sind, ist freilich nicht klar. Wollte Jan Hendrik Pelz sie nicht verkaufen, weil sie ihm persönlich wichtig waren? Oder konnte er sie schlicht nicht verkaufen?
Wie auch immer: Die 43 Ölgemälde und die neun Zeichnungen, ergänzt durch Hintergrund-Texte, zeigen nun puzzleartig seinen künstlerischen Werdegang. Zugleich spiegeln sie das bewegte Leben dieses Mal-Talents. Der Schmerz, oder besser: Eine Melancholie zieht sich durch die Bilder. Leuchtend, knallbunt, fröhlich ist kaum etwas; die wenigen Idyllen erscheinen allesamt seltsam fragil. Man darf annehmen, dass dies die Grundstimmung eines sensiblen Künstlers war, der erste Erfolge in den 1920er-Jahren feierte. Der malerische Reifungsprozess ist in der Kunsthalle schön zu sehen, wie auch die radikale Zäsur, die der Zweite Weltkrieg brachte. Das detailgenaue, aufwendige Malen ließ Pelz hinter sich. Offensichtlich blieb Jan Hendrik Pelz nur noch der Rückzug in den Schweinestall.