Geheimnisvoller Sarkophag
Bruno Wank holt mit speziellen Verfahren Qualitäten aus Bronze, die niemand vermuten würde
LINDENBERG - Wie perfekter Bronzeguss geht, weiß Bruno Wank genau. Immerhin leitet der Görisrieder seit 25 Jahren die Studienwerkstätte für Bronzeguss an der Akademie der Bildenden Künste München. Als Künstler aber ist Wank überzeugt: „Je perfekter man gießt, desto langweiliger wird das Ergebnis.“Glatt geschliffene und patinierte Oberflächen interessieren ihn nicht. Darum experimentiert er mit seinem Material. Durch Versuche, die zu „gesteuerten Zufällen“und „provozierten Fehlern“führen, holt er aus der Bronze Qualitäten heraus, die niemand darin vermuten würde. In der Kulturfabrik stellt Wank, der zu den bedeutendsten Kunstschaffenden des Allgäus gehört, jetzt die neuesten seiner verblüffenden Arbeiten in der Ausstellung „Light my fire“vor.
Da ist dieser monumentale Quader. Wer nicht weiß, dass er aus Bronze ist, möchte ihn am liebsten erforschen, all die Furchen, kleinen Krater, Spalten, Schlieren und Löcher, grau-glatten Stellen, rostbraunen Kreise, silbern schimmernden und sandgelben Flächen ertasten. Ist dieses Objekt kalt oder warm, hart oder weich? Die lebendige Oberfläche verbindet Anmutungen einer Fülle von Materialitäten: die Weichheit geschmeidigen Tons, die Hitze glimmender Kohle, die Zähigkeit flüssigen Magmas, die Kühle glatter Flusssteine, die Brüchigkeit morschen Holzes, die Robustheit abgetretener Dielen.
Aus der Tiefe der Erde könnte der geheimnisvolle Block stammen (ein Sarkophag?), oder aus der Tiefe des Ozeans (von einem Schiffswrack?). Wie er so in der lichten, weiten Halle der Kulturfabrik ruht, strahlt er eine gewaltige, fast sakrale Energie aus. Dass Bruno Wank mit dem Werktitel „Island I“auf die Urgewalten von Gletschern, Vulkanen und Geysiren verweist, ist keineswegs vermessen.
„Island I“und „Island II“sind die zentralen Objekte der Lindenberger Schau. Sie waren bisher noch nirgends zu sehen. Als Ensemble erinnern sie an Altar und Ambo – und verweisen auf die Entstehungsgeschichte. Bruno Wank hat tatsächlich im Auftrag des Münchner Bischofs Reinhard Marx solche Gegenstände für eine Kirche geschaffen. „Als der erste Guss rauskam, war er quasi ein Fehlguss“, erzählt Wank.
Der Bildhauer aber erkannte ihn als Ausgangspunkt für eine Arbeit, wie er sie immer schon gestalten wollte. Das Verfahren, mit dem er eine solche Vielfalt von Farben, Strukturen und Bildern auf die Oberfläche einer Plastik zaubert, hat Bruno Wank selbst entwickelt; preisgeben will er es nicht. „Schon bei Versuchen vor 30 Jahren war mir klar, wie es geht“, sagt er. Ein Werk in solchen Dimensionen zu realisieren, sei bisher aber nicht möglich gewesen.
Bei seinen „Island“-Arbeiten hat Bruno Wank für kalte Effekte ausnahmsweise Aluminium verwendet. Ansonsten ist sein Werkstoff die hochwertige Gussbronze Gbz 10, eine Legierung aus 90 Prozent Kupfer und zehn Prozent Zinn. Durch Ausprobieren und Erforschen des Materials hat Wank herausgefunden, wie man Phänomene von Farbe und Gestalt erzielt. „Vor allem über Temperatur und Schalungsmaterial nehme ich Einfluss“, sagt der 57-Jährige.
Welche künstlerischen Möglichkeiten er sich auf diese Weise erschließt, belegt die Lindenberger Ausstellung mit vielen weiteren Exponaten: darunter bunt schimmernde, schwebende Flecken, eigenartig verzerrte Gesichtsmasken, eigentümliche „Spieglein“und Wandbilder, die – wie aus dem Weltraum aufgenommene Fotos – Gemälde einer Urzeit oder Endzeit sein könnten.