Söder will Bayern-Satellit ins All schießen
Er soll Daten zur Ausbringung von Dünger und Pestiziden auf landwirtschaftlichen Flächen liefern – Zum Projekt Bavaria One gehört auch eine Hyperloop-Teststrecke
MÜNCHEN - Als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einem halben Jahr ein bayerisches Raumfahrtprogramm unter dem Namen Bavaria One ankündigte, spottete die Landtagsopposition über den Größenwahn des neuen Regierungschefs. Doch der ließ sich davon nicht beirren. Zwölf Tage vor der Landtagswahl hat sein Kabinett am Dienstag die Raumfahrtstrategie beschlossen. 700 Millionen Euro sollen in den nächsten zehn Jahren fließen, damit der Freistaat auch im Weltall präsent ist.
Söder seinerseits konterte am Dienstag in München. Wer immer nur auf die Schlaglöcher starre, könnte irgendwann gegen einen Baum laufen, meinte der Regierungschef und erinnerte an Franz Josef Strauß, der für Pläne zu einem Luftund Raumfahrtkonzern ebenfalls Unverständnis erntete. Tatsächlich habe seine Politik dem Freistaat „extremen wirtschaftlichen Nutzen“gebracht. Leider, bedauerte Söder, sei Bayern mit seinen Aktivitäten auf diesem Gebiet in den letzten Jahren „etwas ins Hintertreffen“geraten.
Einer der Schwerpunkte des Raumfahrtprogramms ist die Entwicklung, der Bau und Start eines Erdbeobachtungssatelliten namens BayernSat. Dieses sei ein Gemeinschaftsvorhaben von Industrie, Hochschulen und außeruniversitärer Forschung, kündigte Söder an. Noch innerhalb der nächsten Legislaturperiode des Landtags, die 2023 endet, soll BayernSat den Freistaat von oben betrachten. Er soll beispielsweise Daten zur Ausbringung von Dünger und Pestiziden auf landwirtschaftlichen Flächen liefern.
Der ehemalige Astronaut und Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München (TUM), Ulrich Walter, hatte die Mitglieder des bayerischen Kabinetts bei dessen Sitzung am Dienstag mit seiner Raumfahrtbegeisterung angesteckt. „Es gibt ein Rieseninteresse bei Investoren und Unternehmen“, sagte Walter. Das Geld sei daher sehr gut investiert. Schon bald, sagte Walter, könnten zum Beispiel bayerische Schüler die Kammer ihres Satelliten vom Klassenzimmer aus steuern. Der sonst eher nüchterne Finanzminister Albert Füracker (CSU) habe sich bei Walter bereits erkundigt, wann das „Beamen“die mühsamen Reisen mit dem Dienstwagen ablösen könnte, scherzte Söder.
Hyperschnelle Transportkapseln
Zum Projekt Bavaria One gehört auch eine 400 Meter lange Hyperloop-Teststrecke in Ottobrunn bei München. Eine TUM-Expertengruppe unter Walters Leitung hat dafür ein Forschungsprojekt für diese Technologie ausgearbeitet. Dabei sollen Transportkapseln in nahezu luftleeren Röhren Personen und Güter mit bis zu Schallgeschwindigkeit und geringem Energieaufwand befördern.
Schaltzentrale für diese Aktivitäten soll der Ludwig-Bölkow-Campus der TUM in Ottobrunn werden. An der Universität wurde eine neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie gegründet. Diese Fakultät soll 132 neue Stellen erhalten, darunter 50 zusätzliche Professuren. 30 Millionen Euro will der Freistaat pro Jahr in die neue Fakultät investieren, die dann, sagte Söder, die größte ihrer Art sein werde. Vernetzt werden soll die Fakultät mit dem traditionsreichen bayerischen Raumfahrtstandort Oberpfaffenhofen ebenfalls in der Nähe von München. Als „Raumfahrtkoordinator“soll Landeswirtschaftsminister Franz Josef Pschierer (CSU) das Projekt Bavaria One vorantreiben.
SPD und Freie Wähler (FW) kritisierten das Projekt: Es müsse den Namen „Bavarian Größenwahn“statt Bavaria One tragen, sagte FW-Fraktionschef Hubert Aiwanger. „Bayern soll erst mal die nahe liegenden technischen Probleme unseres Wirtschaftsstandortes – wie Mobilfunklöcher und fehlendes flächendeckendes Internet – lösen, bevor wir die Staatskasse ruinieren und in den Weltraum abheben“, schimpfte er. Söder sehe sich offenbar „in der Rolle des Mister Spock und ernennt seinen Wirtschaftsminister allen Ernstes zum Raumfahrtkoordinator. Das ist lachhaft“, sagte Aiwanger. SPDLandeschefin Natascha Kohnen nannte Bavaria One nur eine großspurige Ankündigung: „Von den versprochenen 700 Millionen ist kein einziger Euro im Nachtragshaushalt.“
Söder sieht „praktischen Nutzen“
Söder wies die Kritik umgehend zurück. „Wer spöttelt verkennt, was eine Zukunftsaufgabe ist“, sagte er. Bayern werde auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn es den Blick in die Zukunft wagt. Er versprach zudem praktische Vorteile für viele aktuelle Herausforderungen in Bayern. Als Beispiele nannte er die Landwirtschaft, die Medizin, die Ökologie und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, es gehe nicht darum „Star Trek“zu machen. „Wir werden einen praktischen Nutzen haben, der noch gar nicht absehbar ist“, sagte Söder. „Im Grunde gehen wir ins Weltall, um einen besseren Blick auf die Welt zu bekommen, einen besseren Blick für die kleinen Probleme, die wir hier haben.“