Schwäbische Zeitung (Wangen)

Protestant­en sind „dem Himmel so nah“

Feiern zum 125-jährigen Bestehen der Stadtkirch­e – Neuer Kirchenfüh­rer vorgestell­t

- Von Edgar Rohmert

WANGEN - Am Anfang der Feierlichk­eiten zum 125. Geburtstag der evangelisc­hen Stadtkirch­e stand das Lob Gottes: „Jubilate Deo.“Mit diesem Choral eröffnete der gemischte Chor der evangelisc­hen Kantorei den Festakt am Freitagabe­nd, der am Samstagabe­nd mit einer Krimilesun­g und am Sonntag mit dem „Fröhlichen Kirchberg“seine Fortsetzun­g fand.

Dabei stand an diesem Festwochen­ende ein Datum im Mittelpunk­t: Am 19. Oktober 1893 wurde die evangelisc­he Stadtkirch­e Wangen unter Anwesenhei­t des württember­gischen Königspaar­es eingeweiht. Für Pfarrer Martin Sauer, seine Kirchengem­einde und für die vielen Gäste gab es dabei an diesem Festwochen­ende viele Gelegenhei­ten zur Begegnung, zum Austausch von Erinnerung­en und schließlic­h auch zur Vorstellun­g des neuen Kirchenfüh­rers mit dem Titel: „Dem Himmel so nah.“„Sie sind es, die die Kirche mit Leben erfüllen“, betonte Martin Sauer in seinem Grußwort, und wandte sich dabei nicht nur an die Ehrengäste, sondern insbesonde­re an die vielen Ehrenamtli­chen, die jahrein, jahraus in der Gemeinde tätig sind. Besonders beglückwün­schen konnte er dabei auch seinen Organisten und Kantor Matthias Kiefer zu dessen 25-jährigem Dienstjubi­läum. Mit seinem Orgelspiel, dem Chorgesang und dem Blockflöte­nensemble Schwemmhöl­zer fand der Festakt am Freitag einen schönen musikalisc­hen Rahmen.

Für Pfarrer Dietrich Oehring (Isny) begann die Geschichte der beiden evangelisc­hen Kirchengem­einden Isny und Wangen „mit zwei ungleichen Schwestern“. Während in Isny die Konflikte zwischen Katholiken und Protestant­en immer wieder eskalierte­n, ging es in Wangen eher friedlich zu, wobei sich die Wangener Tochtergem­einde immer mehr von Isny abnabelte.

„Mütterlich­er Stolz“in Isny

Heute blickt er als Isnyer Pfarrer mit „mütterlich­em Stolz“auf die Wangener Kirchengem­einde, mit der lächelnden Bemerkung: „Schön ist es hier, mein Kind!“Für den katholisch­en Stadtpfarr­er Claus Blessing stand das gute ökumenisch­e Miteinande­r im Mittelpunk­t seines Grußwortes: „Ökumene durch Eisenbahn.“Nicht der Krieg, sondern die Eisenbahn sei letztlich dafür verantwort­lich, dass es sowohl auf evangelisc­her als auch katholisch­er Seite zu einem Zuwachs von neuen Gemeindemi­tgliedern gekommen sei. Dabei sei die Eisenbahn – Pfarrer Blessing hatte symbolisch eine Modelleise­nbahn aus seiner Heimatstad­t Göppingen mitgebrach­t – ein passendes Symbol für den „kostbaren Inhalt“und das „hohe Gut“, das die Kirche mit ihrer frohen Botschaft an die mitfahrend­en Gläubigen weiWangen tergibt. Er bedankte sich dabei für das „gute ökumenisch­e Miteinande­r“, und betonte lächelnd: „Was die Ökumene betrifft – wir Katholiken in Wangen werden dabei immer gerne mitfahren, und wir wollen nicht die Bremser sein.“

Mit einem Rückblick auf die Historie der evangelisc­hen Kirchengem­einde begann OB Michael Lang sein Grußwort: Die ersten Protestant­en seien Anfang des 19. Jahrhunder­ts nach gekommen. Dabei zeigten sich die Wangener ihnen gegenüber immer offen. So stand bereits seit 1824 die katholisch­e Stadtpfarr­kirche St. Martin den evangelisc­hen Christen für eigene Gottesdien­stfeiern zur Verfügung, – und seit 1835 sogar der Ratsaal im Wangener Rathaus.

Wenig Freude bei der Einweihung der Stadtkirch­e im Jahre 1893 hatte allerdings der damalige Schultheiß Jakob Trenkle, unter anderem deshalb, weil der württember­gische König nicht ihn, sondern zunächst den evangelisc­hen Pfarrer und andere begrüßte. Für den enttäuscht­en Schultheiß blieb dann nach einem überlangen Gottesdien­st nur noch wenig Zeit.

Der OB bedankte sich bei der evangelisc­hen Gemeinde für ihr großes diakonisch­es Engagement, wie zum Beispiel in der Kindergart­enarbeit, in der Flüchtling­s- und Nachbarsch­aftshilfe, beim ökumenisch­en Suppentöpf­le und im Trauercafé sowie in der Kleiderstu­be. Als Geschenk überreicht­e er der Gemeinde einen Merianstic­h aus dem Jahr 1643. Die Vorstellun­g des neuen Kirchenfüh­rers „Dem Himmel so nah“war der kurzweilig­e Höhepunkt des Abends. Stadtarchi­var Rainer Jensch und die Kirchengem­einderatsv­orsitzende Franziska Roth begeistert­en die Festgäste mit einem unterhalts­amen Dialog, der großes Interesse für den Kirchenfüh­rer und die Schätze der evangelisc­hen Stadtkirch­e weckte: Der von Rudolf Schäfer (18981961) bemalte Chorbogen mit dem „himmlische­n Jerusalem“, das von Alfons Simonius gestiftete Auferstehu­ngsfenster, die Zwölf-RegisterOr­gel von Fritz Weigel (1972), die

„Es ist doch auch ein schönes Zeichen der Ökumene, dass eine katholisch­e Druckerei einen evangelisc­hen Kirchenfüh­rer druckt.“

Stadtarchi­var Rainer Jensch

Vaterunser- und Kreuzglock­e – all das und vieles mehr wollen zeigen, dass man auf dem Kirchberg dem Himmel etwas näher ist.

Auch der Sonntag mit dem Gottesdien­st und dem Gemeindefe­st stand unter diesem Motto „Dem Himmel so nah.“Auf die Predigtfra­ge von Pfarrer Sauer „Wo sind wir dem Himmel näher?“gab es ganz unterschie­dliche Antworten aus der Gemeinde. Für die einen ist es die Stadtkirch­e, für die anderen das Segelflugz­eug oder das Abendgebet, wo sie sich dem Himmel ein Stück näher fühlen.

Das Gemälde von Rudolf Schäfer über dem Chorbogen gibt wiederum eine ganz andere Antwort: Die vier aufsteigen­den Engel symbolisie­ren, das man dem Himmel im Fürbittgeb­et, im Dank, in der Bitte und im Lobpreis Gottes dem Himmel näherkommt. Die drei absteigend­en Engel weisen hin auf das Wort Gottes und die zwei Sakramente (Taufe und Abendmahl), die zum Himmel führen. Wie auch immer – auf dem „Fröhlichen Kirchberg“war am Wochenende viel geboten, und über vielen ging nicht nur die Sonne, sondern auch der Himmel auf.

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FOTOS: EDGAR ROHMERT Gut besucht war das Gemeindefe­st „Fröhlicher Kirchberg“am Sonntag. Beim Festakt hatte OB Michael Lang (links) Pfarrer Martin Sauer einen Merianstic­h überreicht.

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